François Schmid-Bechtel aus Andratx
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Wer steht künftig im Tor, Murat Yakin? Treffen mit dem Nati-Trainer auf Mallorca

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Stört es Murat Yakin, dass er auch nach der Vertragsverlängerung weniger verdient als sein Vorgänger Vladimir Petkovic? Trauert der Nati-Trainer der verpassten Chance im EM-Viertelfinal gegen England nach? Und wer wird künftig im Tor der Schweizer stehen? Der 49-Jährige im exklusiven Interview.

In Andratx, einem Küstenort auf Mallorca, deutet nichts darauf hin, dass Spanien kurz zuvor die Fussball-EM gewonnen hat. Murat Yakin verbringt hier Urlaubstage mit seiner Familie. Und das erstaunlicherweise ziemlich anonym. Selbst im Beach-Club, der zwei Gehminuten von seinem gemieteten Feriendomizil entfernt ist, wird er kaum erkannt. Doch plötzlich tönt es: «Muri!» Yakin blickt sich um und erkennt ein bekanntes Gesicht: Xamax-Trainer Uli Forte. Dieser klopft dem Nati-Trainer anerkennend auf die Schulter und meint: «Jetzt hast du es wieder mal allen gezeigt.»

Zufällige Begegnung in einem Beach-Club von Andratx: Xamax-Trainer Uli Forte (links) und Murat Yakin.
Bild: Benjamin Soland/Blicksport

Wie oft denken Sie noch an den EM-Viertelfinal gegen England zurück?

Murat Yakin: Daran, dass wir eine Chance verpasst haben?

Ja.

Bis zum Tag des Finalspiels nur noch einmal. Man hat im Fussball eine Chance, eine Gelegenheit zu einem Wiederholungsspiel bekommt man nicht. Das gehört zum Spiel. Darum ist es eine verpasste Chance, mit dem Wissen, dass wir auch die Engländer hätten schlagen können.

Wie fühlt sich das an?

Ich bin mir nicht sicher, ob es am Schluss Genugtuung oder Frust ist. Es ist eine Mischung von beidem. Sicher verspüren wir eine Zufriedenheit darüber, dass wir tollen Fussball gezeigt haben und viele Menschen in der Schweiz glücklich machen konnten. Aber am Schluss … Es tut weh, weil du weisst, dass mehr drin war. Als der Final lief, hat es schon noch wehgetan. Wir hätten die Chance beim Schopf packen müssen. Mit etwas Distanz muss man irgendwo auch dankbar sein für das, das wir erleben durften.

Gibt es Momente, in denen Sie sich anders verhalten würden. Dinge an der EM, die Sie anders machen würden?

Nein.

Ein Thema, das in der Schweiz debattiert wurde: Gregor Kobel fürs Penaltyschiessen einwechseln. War das jemals ein Gedanke?

Sicher. In Gedanken haben wir das durchgespielt, alle Varianten. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, wir hätten nicht darüber nachgedacht.

Wieso haben Sie es nicht gemacht?

Aus Respekt gegenüber Yann Sommer, der als Nummer 1 im Tor stand. Er hat die Gelegenheit verdient, dieses Elfmeterschiessen zu bestreiten.

Würden Sie im Nachhinein Xherdan Shaqiri früher einwechseln?

Wie viel früher?

Nach Ablauf der regulären Spielzeit. Er hat ja durchaus etwas bewegt in der Verlängerung.

Nein. Ich glaube, das war der richtige Moment. Er hätte ja fast die Entscheidung gebracht.

Murat Yakin
Bild: Benjamin Soland/Blicksport

Nehmen Sie uns mit: Wie war es in der Garderobe nach dem Spiel?

Zuerst ganz viel Leere. Dann eine Mischung aus Zufriedenheit und Enttäuschung. Aber das gehört zu einem Turnier. Die Einzigen, die glücklich nach Hause gehen, sind die Spanier. Weil sie den Titel geholt haben. Alle anderen gehen mindestens einmal als Verlierer vom Platz. Irgendwann kommt der Moment. Man will es zwar nicht wahrhaben, aber es ist die Realität. Ich habe mich am Ende bei den Spielern bedankt für alles, was sie in den Wochen davor geleistet hatten. Am Abend im Hotel war die Stimmung wieder positiver.

Wie unterscheidet sich der Schmerz, so knapp auszuscheiden wie gegen England, vom WM-Out gegen Portugal zwei Jahre vorher, wo es mit 1:6 überhaupt nicht knapp war?

Gegen Portugal mussten wir akzeptieren, dass nicht mehr möglich war (einige Spieler waren in den Tagen vor dem Spiel krank, Red.). Das war am Ende kein wettkampfmässiges Spiel mehr, weil einfach nicht mehr rauszuholen war. Das war eine andere Situation als jetzt gegen England, wo wir genauso mit leeren Händen dastehen. Es ist schwarz oder weiss. Du bist dabei oder nicht. Klar, es schmerzt nach dem England-Spiel. Aber das war nach dem Aus gegen Portugal auch so.

Murat Yakin auf der Klippe am Strand von Andratx.
Bild: Benjamin Soland/Blicksport

Manch ein Schweizer Fan hat sich das Finale angeschaut und sich gedacht: «Wir könnten anstelle der Engländer hier gegen die Spanier antreten.»

Ja, das wäre möglich gewesen. Aber am Ende darf man sich auch über die Entwicklung der letzten drei Jahre freuen. Wir haben zuletzt eine Nati gesehen, die auch Gegner mit grossen Namen dominiert hat. Ich bin jetzt 30 Jahre im Fussballgeschäft, in dieser Zeit war das nie der Fall. Wir haben Fortschritte gemacht, in allen Belangen. Darauf dürfen wir stolz sein.

An der WM 2006 in Deutschland ist die Schweiz auch im Penaltyschiessen ausgeschieden. Damals ging Captain Vogel, der keinen Penalty geschossen hatte, ziemlich heftig auf jene Spieler los, die verschossen hatten. Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Bedenken, dass es nach der Niederlage gegen England im Team rumpeln könnte?

Wir müssen nicht wieder aufrollen, wie es damals war. Aber diesmal war klar, wer die Elfmeterschützen sein würden. Manuel Akanji, der über das ganze Turnier eine Riesenleistung erbracht hat, übernahm die Verantwortung. Er kam zu mir und sagte: «Ich schiesse als Erster.» Das verdient zuerst einmal Respekt.

Wann hätte Granit Xhaka geschossen?

Als Elfter.

Also noch nach Yann Sommer?

Ja. Granit wusste, wenn er schiesst und voll auf den Ball haut, kann es sein, dass der Muskel reisst, er sich schlimmer verletzt.

Vorwürfe an Manuel Akanji …

… gab es aus der Mannschaft null. Zu keinem Moment auch nur im Ansatz.

Das passt zum Bild, das die Nati nach aussen abgab. Sie ist in Deutschland sehr reif aufgetreten.

Als ich die Mannschaft vor drei Jahren übernommen habe, war das schon eine eingeschworene Einheit. Da waren die Hierarchien klar, da hat man gespürt, dass die Stimmung fantastisch ist. Du musst ihnen eigentlich nur weiterhin Freude und gewisse fussballtaktische Schemen vermitteln. Aber die Basis war schon da. Das war zu meiner Zeit in der Nati ganz anders. Da gab es diesen Röstigraben, das war immer ein Störfaktor.

Waren Sie damals Rösti, Spiegelei oder Speck?

(Lacht.) Sagen wir mal so: Ich war auch Teil dieses Grabens.

Die Nati hat in den EM-Wochen die Herzen der Fussballnation zurückerobert. Wie stark habt ihr das während des Turniers mitbekommen?

Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin ja nicht auf Social Media, aber ich habe ab und zu Bilder vom Fanmarsch gesehen und Bilder von Public Viewings in der Schweiz. Das ist richtig schön gewesen und sehr, sehr eindrücklich. Ein gutes Gefühl. Das Bild hat zudem dem entsprochen, wie die Spieler wahrgenommen werden wollten. Wir haben sie das vor dem Turnier gefragt.

Was ist dabei rausgekommen?

Dass wir als Team auftreten wollen und unbekümmert Fussball spielen wollen. Das sind Themen, die immer wieder aufgekommen sind. Wir haben uns jeweils nicht einfach nur gefreut, dass wir eine Runde weitergekommen sind. Sondern weil das auch bedeutete, dass wir noch einmal eine Woche mehr miteinander verbringen würden. Es war schwierig, sich danach zu trennen.

Sie gelten als gelassener Typ. Jetzt mal ehrlich: Wie sehr hat Sie der englische Goalie Jordan Pickford im Penaltyschiessen auf die Palme gebracht?

Schauen Sie, das sind halt Spielereien. Manche brauchen das. Mit dem englischen Gentleman hatte das allerdings nichts mehr zu tun.

Wie hätten Sie auf dem Platz reagiert?

Als Spieler hätte ich ihm bei einem Eckball vielleicht schon mal einen Spruch mitgegeben. Aber wir wussten, was auf uns zukommt, unsere Spieler kennen Pickford und wissen, dass er ganz speziell tickt. Es gehört zum Fussball, dass nicht immer alles sauber und regelkonform abläuft.

Hätte der Schiedsrichter einschreiten müssen?

Ich war am Spielfeldrand zu weit weg, um das beurteilen zu können. Ich weiss auch gar nicht, ob Pickford unsere Spieler so furchtbar stark beeinflusst hat. Ein Penalty ist eine Ausnahmesituation. Was auf dem Weg vom Mittelkreis zum Elfmeterpunkt im Kopf abgeht, das kann nur beurteilen, wer das mal erlebt hat. Zwei Dinge haben im Penaltyschiessen gegen uns gesprochen: Dass wir vor den englischen Fans schiessen mussten und dass wir nicht beginnen durften. Beides hat das Los entschieden. Ist halt so.

Was halten Sie vom Vorschlag, dass das Penaltyschiessen bereits vor der Verlängerung durchgeführt wird? Damit will man mehr Action in die Verlängerung bringen.

(Denkt nach.) Das finde ich eine coole Idee.

Was bedeutet es, dass die Spanier Europameister wurden?

Das ist gut. Wenn die Engländer mit diesem Fussball und mit all dem Glück im Achtelfinale und gegen uns im Viertelfinale, mit dem Last-Minute-Sieg im Halbfinale dann sogar den Titel geholt hätten … Die Spanier waren die beste Mannschaft, sie haben den besten Fussball gespielt und jedes einzelne Spiel gewonnen. Hochverdient.

Sie haben in den letzten Wochen mächtig an Popularität gewonnen. Merken Sie das?

Ja. Am Tag, als wir nach Deutschland gereist sind, haben mich vielleicht zwei, drei Leute auf der Strasse angesprochen. Jetzt muss ich schon mehr Zeit mitbringen, wenn ich irgendwo hinwill.

Die New York Times kürte Yakin zum attraktivsten Trainer an der EM und schrieb: «Er sieht ein wenig aus wie Adam Driver in der Rolle des Maurizio Gucci in dem 2021 erschienenen Film über die italienische Bekleidungsmarke.»
Bild: Benjamin Soland/BlicksportAch, irgendwann wird es mir dann zu kitschig (lacht). Wir sind davon etwas überrascht worden, damit hatte bei uns niemand gerechnet. Natürlich schmeichelt mir das, aber man darf so etwas nicht überbewerten.

Auch international wurden Sie gehypt. Als Stilikone, mancherorts sogar als Sexsymbol. Was macht das mit Ihnen?

Ach, irgendwann wird es mir dann zu kitschig (lacht). Wir sind davon etwas überrascht worden, damit hatte bei uns niemand gerechnet. Natürlich schmeichelt mir das, aber man darf so etwas nicht überbewerten.

Eine Zweitkarriere in Hollywood ist keine Option?

(Lacht.) Nein, diese Träume habe ich alle schon hinter mir. Das ist doch das Schöne am Fussball: die Emotionen, die der Moment hervorbringt. Gefühle, die man nicht wiederholen kann. Wir sind keine Schauspieler, wir sind Fussballer. Der Fussball gibt uns so viele Eindrücke, Emotionen, die man in keiner Art und Weise zurückzahlen kann.

Statt Karriere in Hollywood zu machen, bleiben Sie jetzt Nati-Trainer. Ihr Vertrag wurde verlängert. Wenn Sie sich für die WM qualifizieren, läuft er gar bis 2028. Haben Sie sich keine Gedanken darüber gemacht, auf dem Höhepunkt abzutreten?

Das würden andere Trainer vielleicht machen. Aber was heisst schon Höhepunkt? Wir haben uns etwas aufgebaut, das sieht man jetzt auf dem Platz. Warum soll man etwas ändern, was einem Freude bereitet?

Wer hat den Vertrag ausgehandelt?

Ich.

Was sind Sie für ein Verhandler?

(Überlegt lange.) Ich verhandle so, wie ich Schach spiele. Offen, transparent, man kann sich ja nicht verstecken … Aber es braucht auch etwas Taktik. Die Gegenseite muss nicht im ersten Moment schon wissen, worauf man hinauswill.

War es ein guter Entscheid, den Vertrag statt im Frühling erst nach der EM zu verlängern?

Ja. Im Frühling war für mich der Zeitpunkt nicht passend. Irgendwie wollte ich diese Challenge, mich zu beweisen.

Nati-Direktor Pierluigi Tami befürchtete, es könnte sehr teuer, wenn Sie erst nach der EM verhandeln würden.

Das habe ich bei den Verhandlungen nicht gemerkt (lacht). Nein, es ist alles im vernünftigen Rahmen. Ich bin happy, habe mit keiner anderen Partei verhandelt.

Sie strebten nach Wertschätzung. Aber Petkovic verdiente gegen Ende seiner siebenjährigen Amtszeit einige hunderttausend Franken mehr als Sie. Stört Sie das?

Woher wollen Sie das wissen?

Aus gut unterrichteten Quellen.

Aha. Nun, das kann sein. Petkovic ist elf Jahre älter und war länger Nationaltrainer, als ich es bin. Die viel grössere Motivation besteht für mich aber sowieso darin, mit der Nati sportlich erfolgreicher zu sein als meine Vorgänger, und nicht darin, mehr zu verdienen. Nun, der Lohn war nicht matchentscheidend. Ausserdem ist mir bewusst, dass wegen Corona und Projekten wie der EM der Frauen und dem Home of Football der finanzielle Rahmen etwas enger ist beim Verband als in der Ära Petkovic.

Xherdan Shaqiri ist zurückgetreten. Rechnen Sie mit weiteren Spielern, die der Nati Adieu sagen werden?

Shaqiris Rücktritt bedaure ich in allen Belangen, weil er ein aussergewöhnlicher Fussballer ist und ich ihn auch als Mensch ausserordentlich schätze. Stand heute rechne ich nicht damit, dass ein weiterer Spieler zurücktreten wird.

Also auch nicht Yann Sommer? Da stellt sich die Frage: Wer steht im nächsten Länderspiel im September im Tor?

Die Nummer 1. Wenn wir zu Hause spielen, dann ist es jener Spieler im gelben, auswärts jener im grünen Trikot.

Ist der Kampf um die Nummer 1 zwischen Yann Sommer und Gregor Kobel offen?

Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich werde nach deren Ferien erst mal mit jedem einzeln reden. Die Frage lautet nicht, wer in drei Tagen, sondern wer in zwei Jahren an der WM im Tor stehen wird.

Aber das ist die grosse Frage, die auf die Nati und Sie zukommen wird.

Einverstanden, die Frage ist berechtigt. Aber ich kann sie nicht beantworten, solange ich mit den Torhütern noch nicht gesprochen habe.

Gregor Kobel gilt als äusserst ehrgeizig. Wie haben Sie ihn während der EM erlebt?

Sehr professionell. Er hat in jedem Training Gas gegeben.

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