Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Wir sind alle wandelnde Fragezeichen»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Der Sensler Autor Hubert Schaller vertreibt sich die Zeit während der Corona-Krise auch mit Schreiben. Dabei ist unter anderem die «Ballade vom kleinen Störenfried» entstanden, als «lyrische Hausmedizin gegen Langeweile, Vergänglichkeit und Angst», wie er im Gespräch mit den FN verraten hat. Im Interview sagt Hubert Schaller, warum Schreiben hilft, wie er selber mit der Krise umgeht und welche Gedanken er sich über die Zeit danach macht.

Hubert Schaller, Schreiben war für Sie schon immer wichtig. Schreiben Sie in diesen Zeiten mehr oder anders als sonst?

Covid-19 hat mich, wie viele andere, zum eigenen Hausbesetzer gemacht. Darum lese und schreibe ich derzeit mehr als sonst. Bei der «Ballade vom kleinen Störenfried» habe ich – gegen meine Gewohnheit – auf die klassischen Mittel Metrum und Reim zurückgegriffen. Vielleicht aus dem unbe­wuss­ten Bedürfnis heraus, mir auf das Ungereimte in dieser Zeit doch noch einen Reim machen zu können.

War es für Sie denn besonders schwierig, sich in dieser klassischen Form zurecht­zufinden?

Nein, im Gegenteil. Es kam mir so vor, als hätten sich die Wörter im Kopf von selbst gelöst, als wären sie vom Sprachfluss mitgenommen und vorwärtsgeschoben worden.

Sie sagen, das Schreiben helfe in diesen schwierigen Zeiten gegen die Langeweile, die Vergänglichkeit und die Angst. Inwiefern?

Es gibt für mich zwei Arten von Langeweile: die Langeweile als unerträglicher Mangel an Beschäftigung und Ablenkung und die Langeweile als leeres Gefäss. Langeweile in der zweiten Bedeutung macht uns aufmerksamer und empfänglicher. Indem ich dieses leere Gefäss mit dem fülle, was mir persönlich wichtig ist, was ganz aus mir selber kommt, verwandle ich Langeweile in etwas Sinnhaftes. Vielleicht ist das eine von vielen Lektionen, die uns das Virus erteilt: dass wir zu dieser erhabenen Form von Langeweile zurückfinden. Was die Vergänglichkeit angeht: Schreiben ist Widerstand gegen den flüchtigen Augenblick. Der Schriftsteller bannt Wörter aufs Papier, damit sie nicht dem Vergessen anheimfallen, damit sie für immer gesagt bleiben.

Bei der Angst denke ich weniger an die unmittelbare persönliche Angst vor dem Virus als vielmehr an die diffuse Angst in der Gesellschaft. Alles ist aus den Fugen geraten. Schreiben kann daran nicht grundsätzlich etwas ändern, aber das Gedicht kann ein Stossdämpfer sein, der die Erschütterungen der Welt abfängt.

Sie sind im März 65 Jahre alt geworden, zählen also zur Risikogruppe. Beeinflusst das Ihren Alltag?

Der AHV-Ausweis macht einem bewusst, dass man sich ab jetzt wohl mit den Vorzügen und Nachteilen des Alters befassen sollte. Das Altern selbst ist zum Glück ein schleichender, unmerklicher Prozess – das hat er mit dem Corona- virus gemein. Der Spiegel zeigt einem ja nicht von heute auf morgen ein verändertes Gesicht.

Als Mitglied einer Risikogruppe halte ich mich an die offiziellen Weisungen und bleibe zu Hause. Der Garten ist in diesen Tagen noch mehr als sonst eine Oase der Erholung, auch der Erholung im praktischen Tun. Was auf Dauer fehlt, sind die ausserfamiliären Kontakte. Aber was ist das schon im Vergleich zu dem, was andere Menschen auf dieser Welt an Widerwärtigem erdulden müssen – schon vor dem Virus, geschweige denn mit dem Virus!

Zurück zu Ihrer Ballade: Diese endet mit Fragen nach dem, was nach Corona kommen wird. Haben Sie eine Antwort darauf?

Wir sind gegenwärtig ja alle wandelnde Fragezeichen! Wir leben in einer umgestülpten Welt, in einem Albtraum, aus dem wir hoffentlich klüger erwachen, als wir eingeschlafen sind.

Es steht viel auf dem Spiel, nicht erst seit Covid-19. Aber es zeichnet sich schon jetzt ab, dass es einigen nicht schnell genug gehen kann, alles wieder hochzufahren. Wenn das Virus die Welt nicht zugrunde richtet, dann werden es bestimmt die Leute tun, die resistent sind gegen alles, was wir aus dieser Krise lernen könnten.

Die Ballade

«Sag endlich, wer du bist!»

Hubert Schaller teilt seine «lyrische Hausmedizin» mit den Leserinnen und Lesern der FN.

Ballade vom kleinen Störenfried

 

Das Virus kommt und bleibt zu Gast,

obgleich es ungelitten.

Zum Gehen hat es keine Hast,

auch wenn wir ängstlich bitten.

Es haucht uns an, reicht uns die Hand,

es spricht mit nasser Zunge.

Es wütet, ausser Rand und Band,

in Rachen, Hals und Lunge.

Es kennt nicht Schuld, es kennt nicht Scham,

es fegt die Strassen leer,

legt Bahnen, Busse, Schiffe lahm

und auch den Flugverkehr.

Geschäfte, Schulen: alles zu,

Bahnhöfe stehn verlassen,

im ganzen Land herrscht Friedhofsruh,

kaum einer kann es fassen.

Im Netz wird täglich Angst geschürt,

Herr Koch blickt streng und strenger;

die Hilfspakete sind geschnürt

und warten auf Empfänger.

Der Mensch ist ständig auf der Hut,

ja keinem zu begegnen,

derweil jetzt Hilf und Opfermut

aus allen Himmeln regnen.

Spitäler: bis zum Bersten voll!

Die Pflegenden: ermattet!

Der Tod ists, der, stets liebestoll,

das Virus neu begattet.

Was gibt zu morden dir das Recht?

Sag endlich, wer du bist!

Bist Gottes oder Satans Knecht,

du kleiner Anarchist?

Was taugt sie, die Zerstörungskraft?

Was will sie uns verkünden?

Kann Weisheit oder Wissenschaft,

dich, Rätsel, je ergründen?

Wann folgst auch du, vom Töten satt,

der Stimme, die dich ruft?

Wann sinkst du selber sterbensmatt

ins Grab, das du uns schufst?

Was bleibt nach dir, nebst Schmerz und Tod?

Woran soll man sich halten?

Wirds anders gehn, auch ohne Not?

Bleibt alles schön beim Alten?

 

Hubert Schaller

 

 

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema