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Mutter und der Erzbischof

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Es war vor über 40 Jahren, als unser Jüngster in den Bergen Lesothos, unter kundiger Mithilfe der einheimischen Hebamme Ausi Aletta, frühmorgens das Licht der Welt erblickte. Seine Grossmutter in der fernen Schweiz war traurig, konnte sie doch ihren jüngsten Enkel nicht in den Händen halten. Da sie aber nicht warten wollte, bis wir von unserem Afrika-Abenteuer zurückkehrten, entschloss sie sich kurzerhand, uns zu besuchen. Sie war schon über 70, noch nie geflogen, die längste Reise, die sie angetreten hatte, war eine Pilgerfahrt in einem Pilgerzug nach Lourdes. Mein Bruder brachte sie zum Flughafen, vertraute sie der Flugbegleiterin an und «überliess sie ihrem Schicksal».

Unser Spital, das Parayhospital in den Bergen Lesothos, ein Missionsspital, gehörte zum Bistum Thaba-Tseka, und unser oberster Vorgesetzter war der Erzbischof, der in der Hauptstadt Maseru «residierte». Wir besuchten Maseru regelmässig, um für das Spital die Grosseinkäufe (meist Lebensmittel und Ersatzteile) zu erledigen. Dabei besuchten wir auch unseren Vorgesetzten, um ihn über die aktuelle Situation in und um das Spital in Kenntnis zu setzen.

So auch diesmal, und als er uns beim Abschied fragte, wann wir wieder zurückfahren würden, sagte ich, noch heute Abend, aber vorher fahren wir noch zum Flughafen. «Zum Flughafen?», antwortete er erstaunt. «Erwartet ihr jemanden?»

«Ja, wir holen meine Mutter ab.» «Die Mutter?» Und nicht ohne einen leisen Vorwurf bemerkte er, dass man ihn unbedingt hätte informieren müssen. «Und», fügte er hinzu, «es wäre für mich eine grosse Freude, wenn ich eure Mutter kennenlernen dürfte. Darum lade ich euch zusammen mit ihr zum Abendessen ein.» Ich wandte «anstandshalber» ein, ob das so kurzfristig möglich sei, und sprach von Umständen und Zeitdruck, und so weiter. «Hören Sie», antwortete er, «ich bin kein Europäer (er hatte in Frankreich studiert), wenn ich sage, dass wir uns treffen, dann machen wir das. Wenn ich in Europa mit Freunden ein Treffen organisieren wollte, zückten zuerst alle ihre Agenda, um wortreich zu erklären, an welchen Tagen es gerade nicht möglich sei.» Ups, das hat «gesessen». Dann fügte er noch fragend hinzu, ob «Papa» (weisser Mais) und Moroho (eine Art Kabis) mit Huhn (das Nationalgericht) wohl angemessen sei. Selbstverständlich.

Wir holten die müde, aber überglückliche Mutter am Flugplatz ab und fuhren direkt zum Sitz des Erzbischofs. Mutter wollte nicht glauben, dass sie nicht nur von einem Bischof, sondern von einem Bischof «Erz» empfangen wurde. «Aber Mutter, auf der Pilgerreise war doch auch ein Bischof dabei.» «Ja, schon», meinte sie, «aber der war nicht Erzbischof und überhaupt hat er uns kaum begrüsst und unterhielt sich nur ‹mit de Wäutsche›.»

Der Erzbischof öffnete die Tür, hiess vor allem Mutter willkommen. Sie war auch die Einzige, die wusste, wie man sich gegenüber einem so hohen Würdenträger benimmt. Er war in vollem Ornat, an der schwarzen Soutane leuchteten die violetten Knöpfe, auf dem Kopf das violette Käppi (Pileolus), ein grosses Brustkreuz, das Cingulum und an der rechten Hand der grosse funkelnde Ring.

Mutter machte eine Kniebeuge, sprach ihn mit «euer Exzellenz» an und durfte den Ring küssen. Der Erzbischof hob sie auf, nahm sie in die Arme und begleitete sie zum Tisch. Sie sass neben ihm auf dem Ehrenplatz oben am Tisch, und er bat sie, das Tischgebet zu sprechen. Mutter strahlte, und am Ende der Mahlzeit stand seine Exzellenz auf, nahm Mutter bei der Hand und ging mit ihr alleine in die Kapelle, um gemeinsam zu beten. Ich habe meine Mutter noch nie so glücklich gesehen.

Die Zeit wurde knapp, wir verabschiedeten uns und machten uns, nicht ohne seinen Segen, auf den Heimweg. Es war schon dunkel geworden, und eigentlich war es nicht ratsam, nachts zu reisen. Kaum hatten wir die Stadt verlassen, standen wir vor einer Strassensperre! Soldaten mit umgehängten Maschinenpistolen kontrollierten die Fahrzeuge. Wir waren weit und breit die Einzigen. Ich versuchte, ruhig und vor allem freundlich zu sein. Ich öffnete das Fenster, ein Offizier trat näher, ich grüsste freundlich in der Landessprache («Dumela Ntate»). Er grüsste zurück, fragte, wer wir sind, nach dem woher und wohin. «Ich bin Arzt in Thaba-Tseka, und wir haben meine Mutter vom Flughafen abgeholt.» «Ihre Mutter»? Er richtete den Schein der Taschenlampe auf Mutter, sie grüsste artig mit «Bonsoir monsieur», dann ging alles sehr schnell. Er entschuldigte sich, dass wir aufgehalten wurden, dankte meiner Mutter für ihren Mut, seine Heimat zu besuchen, und erklärte, dass zurzeit die Strassen vor allem nachts unsicher sind. Er befahl drei bis an die Zähne bewaffnete Soldaten zu uns, öffnete die Sperre, wünschte uns gute Reise, und eine Eskorte von drei Soldaten auf dem Motorrad begleitete uns bis zur Abzweigung nach Thaba-Tseka.

Wohl noch nie hatte Mutter so viel Achtung und Ehrfurcht erfahren. Hängt es damit zusammen, dass auch in den ärmsten und an den entlegensten Orten der Welt Mütter unentbehrlich sind, weil es letztlich die Mütter sind, die überall auf der Welt das Geheimnis des Lebens bewahren und weitergeben?

Und als sie spätabends ihren jüngsten Enkel in die Arme nahm, wusste sie, dass dieser erste Tag in Afrika einer ihrer schönsten und glücklichsten Tage war.

Der Düdinger Franz Engel ist pensionierter Arzt und verbringt nun seine freie Zeit mit Fischen und dem Hüten der Enkelkinder. Als Gast­kolumnist bearbeitet er im Auftrag der Freiburger Nachrichten in regelmässigem Rhythmus selbst gewählte Themen.

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