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Lehrpersonen verteidigen ein System, das sie unzufrieden macht: Der Krampf mit der integrativen Schule

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Note ungenügend: Lehrerinnen und Lehrer hadern mit der integrativen Förderung. Dennoch begrüssen sie das Grundprinzip, möglichst alle Kinder in einer Regelklasse zu unterrichten. Wie ist das möglich?

Seit gut zehn Jahren gilt an der Volksschule das Primat der integrativen Förderung: Kinder mit schulischen Defiziten oder Verhaltensauffälligkeiten, also Störenfriede, besuchen wenn immer möglich eine Regelklasse. Sie erhalten heilpädagogischen Support für gewisse Lektionen, werden aber nicht in «Kleinklassen» oder «Förderklassen» abgeschoben. Um eine Analogie aus dem Sport zu verwenden: Der 5.-Liga-Fussballer kickt im gleichen Team wie der Nati-Star.

Doch das hehre Ideal der Inklusion zerschellt an der Realität. Im Auftrag des Dachverbandes der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz hat das auf Sozialforschung spezialisierte Büro Brägger eine Umfrage zur Berufszufriedenheit durchgeführt. Ein wichtiges Fazit: Die integrative Förderung belastet die Lehrpersonen enorm. Sie haben verschiedene Aspekte zum Thema auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet und geben die ungenügende Gesamtnote 3,7. Besonders schlecht beurteilen sie die zur Verfügung gestellten Ressourcen. Sie halten aber auch die Heterogenität der Klassen nicht mehr für stemmbar, auch fehlt es an geeigneten Räumlichkeiten, an ausgebildeten heilpädagogischem Personal sowieso.

Wenn es irgendwo im komplexen Räderwerk der integrierten Förderung, in das Schüler, Eltern, Lehrpersonen, Heilpädagoginnen und andere Fachpersonen involviert sind, klemmt, dann hat dies laut Studienleiterin Martina Brägger grosse Auswirkungen auf die Lehrpersonen wie: mehr Unruhe in der Klasse, mehr Vorbereitungsaufwand, mehr Absprachen, Koordination, Sitzungen, Abklärungen und Dokumentation. Dies koste viel Zeit und führe zu psychologischer Belastung.

Angesichts der wenig schmeichelhaften Systemanalyse von der Basis mag es überraschen, dass LCH-Präsidentin Dagmar Rösler betonte, grundsätzlich stünden die Lehrpersonen hinter der integrativen Förderung. Dieser Befund stützt sich auf eine Befragung im Kanton Graubünden, bei der sich nur eine Minderheit der Lehrerinnen und Lehrer dafür aussprach, Kinder mit besonderen Bedürfnissen hauptsächlich ausserhalb der Regelklasse zu beschulen.

Wie erklärt sich Rösler diese etwas widersprüchliche Haltung? Das sei eine gute Frage, sagt sie – und beantwortet sie so: «Lehrpersonen geht es mehrheitlich darum, möglichst allen Schülerinnen und Schülern eine Chance zu geben, deshalb unterstützen sie den integrativen Gedanken.»

Yasmine Bourgeois ist Schulleiterin, unterrichtete während Jahren auf der Primarstufe und politisiert für die FDP im Zürcher Stadtparlament. Bourgeois ist Mitinitiantin der sogenannten Förderklassen-Initiative im Kanton Zürich, die vor kurzem eingereicht wurde. Ein überparteiliches Komitee verlangt, dass zur Entlastung der Klassenlehrpersonen vermehrt wieder auf Klein- oder Förderklassen gesetzt wird, die von Heilpädagogen geführt werden.

«Es wird als Nonplusultra gepredigt»

Bourgeois hat eine andere Erklärung als Rösler für das grundsätzliche Ja der Lehrpersonen zum System IF: «Es wird an den pädagogischen Hochschulen als das Nonplusultra gepredigt, das man zwingend gut finden muss.» Womit die Lehrpersonen unter Druck stünden, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. «Viele Lehrerinnen und Lehrer, welche die Initiative befürworten, mögen sich deshalb nicht öffentlich äussern», sagt Bourgeois.

Bourgeois und ihre Mitstreiter wollen die integrative Förderung nicht abschaffen, aber Kinder mit Lern- und Verhaltensschwierigkeiten häufiger als heute wieder in separaten Förderklassen unterrichten – zur Entlastung der Klassenlehrer und zur gezielten Förderung der Kinder nach ihren effektiven Bedürfnissen. Förderklassen sollen nach Möglichkeit im gleichen Schulhaus unterrichtet werden wie Regelklassen. Die Initianten fordern Durchlässigkeit: Wenn es die spezifische Situation der Kinder zulässt, sollen sie wieder zurück in die Regelklasse wechseln. Eine ganz ähnliche Initiative hat die Freiwillige Schulsynode im Kanton Basel-Stadt lanciert.

Die Forderung des LCH, die Probleme der integrierten Förderung mit mehr Ressourcen zu beheben, beurteilt Bourgeois skeptisch. Sie befürchtet, dass dadurch der Koordinationsaufwand weiter steigt.

Im Grundsatz scheint aber die Position des LCH und der Initiativen in den Kantonen Zürich und Basel-Stadt gar nicht so weit voreinander entfernt. Die oberste Schweizer Lehrerin Dagmar Rösler sagt, man müsse sich die Frage stellen, ob das heutige Setting den Kindern und Jugendlichen noch gerecht werde. Mittelfristig müsse man systemische Veränderungen anpacken. Sie denkt dabei etwa an zeitlich begrenzte Separierung von verhaltensauffälligen Kindern, um eine angespannte Situation in einer Regelklasse zu entschärfen.

Argumente für solche Massnahmen liefert auch die Forschung. Beatrix Eugster, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität St.Gallen, fand in einer Studie heraus, dass die Leistungen sinken, wenn in einer Klasse mehr als 15 bis 20 Prozent der Schüler speziell gefördert werden müssen. Das heisst: In einer durchschnittlichen Klasse erträgt es vielleicht drei oder vier Kinder mit speziellem Förderbedarf, danach leidet der Unterricht.

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