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Politisches Seilziehen im Badezimmer

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Letzthin kam ich in Berlin mit einem Handwerker aus der ehemaligen DDR ins Gespräch. Ein überaus freundlicher Mann, ein Endfünfziger, der sich zwar durchaus auch für die kaputte Wasserleitung im Badezimmer interessierte, die er zu reparieren hatte, aber mehr noch für mich, den Schweizer, der Erinnerungen an lang zurückliegende Ferienerlebnisse in ihm weckte, die er nun, während er mit gemütlicher Routine Schrauben lockerte und verrostete Metallteile ersetzte, gut gelaunt mit mir teilte. Wie es so ist, weiteten sich die Themen unseres Gesprächs immer mehr aus, und so landeten wir notgedrungen in der Politik, genauer in der deutschen Politik (für ihn ein einziges Desaster) im Vergleich zur Schweiz (ein Hurra auf die direkte Demokratie!). Und – ich hatte es schon befürchtet – es folgte ein virtuoses Spiel auf der Klaviatur sämtlicher populistischer Klischees: von den belächelten Ossis mit Bodenhaftung zu den arroganten Wessis, von der geschmähten AfD (die laut auszusprechen wagt, was die anderen Parteien geflissentlich unter den Teppich kehren) bis zu den Asylanten (die es sich in Deutschland auf Kosten der Steuerzahler bequem machen), von den alten türkischen Gastarbeitern (mit denen er gern ein Feierabendbier trinkt) bis zu deren arbeitsscheuen Kindern (die Autos anzünden und Leute wie ihn als Nazi beschimpfen).

Ich bekam es hier mit einer echten Berliner Schnauze zu tun, und wenn die einmal in Fahrt kommt, fühlt sich mein hochdeutsches Mundwerk, made in Switzerland, wie der stotternde Motor eines Oldtimers bei minus 20 Grad an. Trotzdem wagte ich es, ihn immer wieder zu unterbrechen, kritische Fragen zu stellen, ihm dieses und jenes zu bedenken zu geben. Ich machte kein Hehl daraus, dass ich einer jener Schreibtischtäter sei, für die er nur ein müdes Lächeln übrig zu haben scheine und dass sich mein politisches Weltbild zu dem seinen etwa so verhalte wie ein Eisbär zur Sahara.

Zu meinem Erstaunen machte mich dieser Befund in seinen Augen keineswegs unsympathischer und ich gestehe, dass es mir umgekehrt ebenso erging. Ich hatte es hier weder mit einem Fanatiker noch mit einem Faschisten zu tun (natürlich ist der Nazi Björn Höcke genauso bekloppt wie die Spitzenpolitiker anderer Parteien auch). Aus seinen Worten sprach nicht Hass, eher so etwas wie der verletzte Stolz eines kleinen Angestellten, der sich von den Eliten abgehängt und verachtet fühlt (am Schluss sind es dann doch wieder die kleinen Leute, die den Karren aus dem Dreck ziehen). Er sprach wie einer, der sich unaufhörlich darüber wundert, dass die Entwicklung der Dinge seinem praktischen Alltagsverstand zuwiderläuft

(ick glob, mir laust der Affe!).

 

Obwohl die Reparaturarbeit beendet war, blieb er noch gemütlich eine halbe Stunde auf der zugeklappten WC-Schüssel sitzen und dozierte weiter über den hoffnungslosen Zustand der Welt, ohne aber dabei im Geringsten seine gute Laune zu verlieren. Beim Abschied steckte ich ihm einen Fünfeuroschein in die Tasche, als Honorar für den politischen Weiterbildungskurs, wie ich ihm augenzwinkernd erklärte.

Wie kommt es – fragte ich mich nachher im Stillen –, dass mir dieser Mann als Mensch sympathisch sein konnte, obwohl unsere politischen Ansichten Lichtjahre auseinanderliegen? Natürlich kenne ich auch das andere, dass mir Menschen im Inners­ten fremd bleiben, obwohl sie am selben Strick ziehen wie ich. Was – wenn nicht Überzeugungen – ist es denn, was Menschen zueinander hinzieht oder voneinander abstösst? Gibt es etwas, das tiefer liegt als persönliche Ansichten, seien diese nun religiöser oder politischer Natur?

Dem Mann – so kam es mir im Nachhinein vor – ging es nicht darum, mich von seinem politischen Standpunkt zu überzeugen, es genügte ihm offensichtlich, dass ich ihm zuhörte, auf ihn einging, auch wenn ich seinem Unverständnis der Welt nur mein eigenes Unverständnis der Welt entgegensetzen konnte.

Wir bunkerten uns nicht in unseren Weltbildern ein, wir gingen beide aus der Deckung, liessen es zu, anderer Meinung zu sein, ohne uns deswegen den Krieg zu erklären. Es musste also etwas gegeben haben, das stärker wirkte als alles, was uns in diesem Augenblick trennte. Ich weiss nicht, was es war, ich vermute bloss, dass dieser Punkt wieder und wieder zu erreichen wäre, wenn wir unseren politischen Gegnern nicht immer gleich die Zähne einschlagen wollten.

Hubert Schaller ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986), «Drùm» (2005) und «Federleicht» (2016). Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er Deutsch und Philosophie am Kollegium St.  Michael in Freiburg. Als FN-Gastkolumnist schreibt Hubert Schaller regelmässig über selbst gewählte Themen.

 

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