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Heiligabend

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Heiligabend vor 55 Jahren: Im Wohnzimmer ist nur noch die Spitze des Weihnachtsbaums zu erkennen. Um den Baum herum türmen sich Geschenke, die mindestens die Hälfte der Stube füllen. Schliesslich besteht unsere Familie aus elf Personen und mit den Partnerinnen und Partnern der älteren Geschwister erreichen wir gut und gern eine Klassengrösse. Von Wichteli noch keine Spur: Jeder beschenkt jeden, das lässt den Geschenkberg in schwindelerregende Höhen wachsen. Das Wort «Konsumgesellschaft» existiert noch nicht. Es würde auch gar nicht passen, denn was wir einander schenken und geschenkt bekommen, sind Alltagsgegenstände, die wir ohnehin brauchen: Handschuhe, Wollsocken, eine Winterjacke, einen Schultornister. Da aber diese praktischen Sachen in Weihnachtspapier gehüllt sind und im Glanz der Kerzen erstrahlen, haben sie einen ganz besonderen Reiz, den Reiz von Weihnachten eben. Hätten wir sie übers Jahr verteilt und ohne Geschenkpapier bekommen, hätten wir uns gefreut. An Weihnachten waren wir verzaubert.

Ich glaube, es ging nicht nur mir, sondern den meisten so. Weihnachten war das Fest der Liebe. Also liebten wir: Kein Trotz, keine bösen Worte, keine versteckten Rippenstösse. Wir liefen alle zur weihnächtlichen Hochform auf. Hätten Maria und Joseph an unsere Tür geklopft, wir hätten sie bestimmt nicht in einem schäbigen Stall untergebracht, sondern im Gästezimmer (was es in unserem Haus allerdings nicht gab, schliesslich waren wir, wie gesagt, eine Grossfamilie). Aber jeder von uns wäre bereit gewesen, sein Bett zu opfern und selbst im Stall zu übernachten (bildlich gesprochen natürlich, denn einen Stall hatten wir genauso wenig).

Weihnachten war der Inbegriff von Zauber, besseren Menschen, einer besseren Welt. An Weihnachten wurde die grosse, komplizierte Welt für einmal ganz klein, so dass wir sie auf den Schoss nehmen und umarmen konnten wie die Christusfigur über Rio de Janeiro. Das war schön, und etwas von dieser Empfindung steckt für mich am 24. Dezember auch heute, nach 55 Jahren, noch drin.

Worauf ich hinauswill: Ich finde Weihnachten immer noch toll. Das würde sich wohl auch dann nicht ändern, wenn ich aus der Kirche austreten und mich für religionslos erklären würde. Ich kenne Hardcore-Atheisten, die an Weihnachten sentimental werden. Es muss an den Genen liegen. Gegen Religion kann man sich auflehnen, gegen die Gene nicht, jedenfalls würde es nichts bringen. Ausserdem ist die Art, wie man seine Erinnerungen nährt, ebenso wichtig wie die, den Körper zu ernähren.

An der Mitternachtsmesse stolzierten die Leute mit ihren Weihnachtsgeschenken in die Kirche: ein seidener Schal, feine Lederhandschuhe, ein schicker Hut. Alles nichts gegen den Augenblick des allgemeinen Lichterlöschens: «Stille Nacht, heilige Nacht» im friedlichen Kerzenschein, wie aus einem Mund, einem Herzen. Alle standen unter dem Eindruck einer grossen, Völker verbindenden Erfahrung, wenigstens dieses eine Mal, diesen einen Tag im Jahr. So habe ich es als Kind erlebt, und so habe ich es in meiner kindlichen Fantasie aufbewahrt.

Sentimentalität? Kitsch? Mag sein. Es gibt Dinge, die man sich einfach nicht nehmen lässt, wie ein Kind, das trotzig sein Spielzeug verteidigt. Weihnachten gehört für mich dazu.

Hubert Schaller ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986), «Drùm» (2005) und «Federleicht» (2016). Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete er Deutsch und Philosophie am Kollegium St. Michael in Freiburg. Als FN-Gastkolumnist schreibt Hubert Schaller regelmässig über selbst gewählte Themen.

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