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Für Nahrungsmittel Schlange stehen

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«Ich habe gewusst, dass es Armut gibt, aber nun ist sie plötzlich real.» Das sagt Michael Schweizer, seit 22 Jahren Sozialarbeiter im Quartierzentrum Schönberg. An diesem Freitagnachmittag stehen gegen hundert Leute im Innenhof des Quartierzentrums Schlange, um einen Einkaufssack mit Grundnahrungsmitteln zu erhalten. Die Essensausgabe wird vom gemeinnützigen Verein Reper organisiert, um die Not in der Corona-Krise zu lindern. Ein 16-Jähriger wartet bei kühlem Wetter im Kurzarm-T-Shirt darauf, dass er an die Reihe kommt. «Mein Vater arbeitete in einem Restaurant. Wegen Corona hat er seine Stelle verloren», erzählt er. Vor einer Woche kam er zum ersten Mal zur Nahrungsmittelausgabe, um für seine drei Geschwister und die Eltern das Nötigste zu besorgen. «Weil wir knapp über dem Existenzminimum leben, haben wir keinen Anspruch auf Sozialhilfe», meint der Junge. «Deshalb bin ich hier.»

«Wir stellen keine Fragen. Wir gehen davon aus, dass, wer hierher kommt, Hilfe braucht.»

Michael Schweizer

Abteilungsleiter der Zentren für soziokulturelle Animation bei Reper

Eine Frau vor ihm tippt rauchend auf dem Handy herum. «Mich hat der Lockdown mitten in der Probezeit getroffen», erzählt sie. Sie arbeitete seit zwei Monaten im Service. «Weil ich keinen festen Vertrag hatte, habe ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengelder.» Die Angst vor den vielen Rechnungen hat sie schliesslich dazu gebracht, vom Reper-Angebot Gebrauch zu machen. «Ich bin nicht allein, all diesen Menschen geht es gleich», stellt sie fest. Zur Sozialhilfe wolle sie nicht, weil diese ja zurückbezahlt werden müsse. «Noch mehr Schulden machen, ist keine gute Idee.»

Eine Mutter mit ihrer Tochter im Teenager-Alter hat den Essenssack bereits abgeholt. Dieser enthält standardmässig Mehl, Öl, Milch, Reis, Teigwaren, Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten und Äpfel. Manchmal auch Salz. Darüber hinaus können die Menschen noch zwei zusätzliche Produkte jenseits der Grundnahrungsmittel auswählen: Apfelsaft, Zahnpasta, Binden, Seife oder Suppe von Spitzenkoch Pierro Ayer, die dieser gespendet hat. Die syrische Frau und ihre Tochter leben seit sieben Jahren als Flüchtlinge in der Schweiz. 1700 Franken pro Monat bekomme sie für sich, den Mann und drei weitere Kinder, sagt sie. Als die Kinder noch klein gewesen seien, sei das gegangen, aber nun werde es immer schwieriger, auch ohne Corona. Fast schon entschuldigend fügt sie an: «Es hat geheissen, alle dürften kommen», darum sei sie hier.

Alle bekommen etwas

Michael Schweizer bestätigt: «Wir fragen die Leute nicht, warum sie kommen oder ob sie schon anderswo Hilfe bezogen haben. Wir gehen davon aus, dass, wer hierher kommt, Hilfe braucht.» Es sei klar, dass die Corona-Krise nicht nur neue Armut verursache, sondern auch die bereits existierende Armut ans Tageslicht bringe.

Ein Syrer, der mit seiner Frau und zwei Kindern seit drei Jahren in Freiburg lebt, rechnet vor, was ihm nach Abzug aller Ausgaben – Miete, Zahnarztkosten, Kursgeld für einen Französischkurs, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen – von den 2000 Franken bleibt, die er monatlich von Caritas bekommt. «700 Franken. Das sind 20 Franken pro Tag fürs Essen», stellt er fest. «Das Angebot von Reper ist darum für uns sehr hilfreich.»

Direkthilfe bevorzugt

Das sei auch der Grund, wa­rum Reper auf die Idee mit der Nahrungsmittelhilfe gekommen sei, sagt Michael Schweizer, der als Abteilungsleiter bei Reper für die Zentren für soziokulturelle Animation zuständig ist. «Zu Beginn der Corona-Krise haben wir vor allem Grossfamilien kontaktiert, von denen wir wussten, dass sie wenig verdienten. Als wir ihnen gesagt haben, dass wir sie eventuell mithilfe der Glückskette finanziell unterstützen könnten, haben viele gefragt: Habt ihr nicht etwas zu essen?» Er und seine Kolleginnen und Kollegen hätten darum auf private Initiative hin angefangen, Esswaren zu kaufen. Immer mehr Leute hätten dann einen finanziellen Beitrag geleistet, so dass sie nun ein Budget von 20 000 Franken hätten. Auch kleine Unternehmen hätten etwas gegeben oder das Theater des Osses. Und immer häufiger organisierten auch hilfsbereite Bürger Nahrungsmittelkollekten. Unterstützt wird Reper indirekt auch von der Stadt, die die Löhne der involvierten soziokulturellen Animateure bezahlt, die für das Projekt freigestellt sind.

Schweizer hofft, die Aktion noch bis Ende Juni durchführen zu können. Sie läuft seit drei Wochen immer freitags im Quartierzentrum Schönberg und seit letzter Woche auch im Jura- und im Pérollesquartier sowie in der Freiburger Unterstadt. Reper hat bisher Nahrungsmittel für 2400 Menschen verteilt.

Das Armutsrisiko im Kanton steigt

25 000 Menschen im Kanton Freiburg leben knapp über dem Existenzminimum. Mit der Corona-Krise drohen sie nun  in die Armut zu rutschen. Das aktuelle Sozialhilfenetz gerät an seine Grenzen, und der kantonale Sozialdienst ist alarmiert.

Kürzlich lancierte das Kantonale Führungsorgan einen Aufruf an alle, die wegen der Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Es bittet die Menschen, sich an die Sozialhilfedienste in den Gemeinden zu wenden. «Wir haben festgestellt, dass die Gesuche um Direkthilfe wie Essensgutscheine, Nahrungsmittel oder kleinere Geldbeträge bei den Nothilfeeinrichtungen wie Caritas oder Reper stark zugenommen haben», erklärt der Chef des kantonalen Sozialdiensts, Jean-Claude Simonet. «Aufgrund der Informationen, die wir von diesen Einrichtungen und den regionalen Sozialhilfediensten erhalten haben, ist davon auszugehen, dass die Anzahl derer, die wegen der Corona-Krise in finanzielle Not geraten sind, stark angestiegen ist.» Das Problem sei, dass viele Menschen die Direkthilfe bevorzugten und den Gang zur Sozialhilfe meiden würden, so Simonet.

Ursachen der Hilflosigkeit

Dafür gebe es drei Gründe: «Erstens wollen gerade Menschen, die es vorher knapp selber geschafft haben, nicht als Sozialhilfeempfänger abgestempelt werden. Zweitens muss Sozialhilfegeld zurückerstattet werden, sobald dies dem Begünstigten wieder möglich ist. Und drittens müssen die Sozialhilfeämter dem Amt für Bevölkerung und Migration all jene melden, die eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung haben oder ohne Papiere in der Schweiz leben.» Ein Abkommen zwischen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) und den kantonalen Fremdenpolizeien regle nun immerhin, dass die Sozialhilfesuchenden mit Aufenthaltsbewilligung zwar weiterhin gemeldet werden müssten, dies wegen Corona aber keine Auswirkungen habe, ergänzt Simonet.

Sozialer Sprengstoff

Dennoch zeigten all die eingebauten Hürden gerade in einer Krise wie der Corona-Pandemie die Grenzen des geltenden Sozialhilfesystems auf. Nicht nur, weil es infolge der Corona-bedingten Wirtschaftskrise noch schwieriger wird, die bisherigen Sozialhilfeempfänger ins Berufsleben zu integrieren, sondern auch, weil eine weitere grosse Gruppe von Menschen in die Armut zu rutschen droht. Gemäss dem letzten Armutsbericht gelten im Kanton Freiburg 7500 Personen als arm, 25 000 oder zehn Prozent der Bevölkerung sind armutsgefährdet. «Das könnte der soziale Sprengstoff von morgen sein», so Simonet. Ein Indiz dafür sei, dass allein bei der kantonalen Ausgleichskasse bis Ende März 5500 Gesuche von Personen eingingen, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Quarantänemassnahmen unterbrechen mussten oder weil die Betreuung der Kinder während des Lockdowns nicht mehr gewährleistet war. Unter den Gesuchen waren aber auch solche von Selbstständigerwerbenden, die einen Erwerbsausfall erlitten. «Gerade für diese Menschen, die am Existenzminimum leben, braucht es eine zusätzliche Hilfe», sagt Jean-Claude Simonet.

Schuldenspirale

Kathrin Gabriel-Hofmann, Sozialarbeiterin bei Freiburg für alle, der kantonalen Anlaufstelle für Fragen zu Familie, Sozialversicherungen, Arbeit, Gesundheit und Integration, kann diese Sicht bestätigen. Sie und ihre Kollegin Jacqueline Gremaud haben täglich mit Menschen zu tun, die wegen Corona weder ein noch aus wissen. «Kürzlich kam eine Coiffeuse zu mir, die trotz Erwerbsersatzentschädigung nur zehn Franken pro Tag zum Leben hatte. Dennoch wollte sie nicht zur Sozialhilfe.» Dabei müsse man wissen, dass das Existenzminimum in der Schweiz sehr tief angesetzt sei. «Darum nehmen viele Menschen Konsumkredite auf und verschulden sich. Wenn sie dann noch das Sozialhilfegeld zurückerstatten müssen, kommen sie aus der Schuldenspirale nur noch schwer heraus.» Auch der grosse administrativen Aufwand, bis man Hilfe bekomme, habe auf viele eine abschreckende Wirkung.

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