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«Ich habe ‹gekrüppelt› wie noch nie»

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«Aazyigschraft» – wer beim Lesen dieses Wortes kein einziges Mal gestolpert ist, der hat es geschafft und kann sich bei Christian Schmutz ein Zertifikat als ausgewiesener Sensler-Dialektleser abholen. «Aazyigschraft» – in Schriftdeutsch «Anziehungskraft» – heisst ein Kapitel im neuen Buch von Christian Schmutz. Der Titel «D Seisler hiis böös» bezieht sich nicht etwa auf die Schwierigkeiten, die selbst Sensler haben, ihren Dialekt zu lesen. Vielmehr greift der 47-jährige Autor und Dialektologe in seiner Erzählung das Schattendasein der Senslerinnen und Sensler auf. Sie müssen sich immer wieder aufs Neue behaupten: Im eigenen Kanton als sprachliche Minderheit und ausserhalb für den urchigen Dialekt, der entweder nicht verstanden oder mit dem Walliserdeutsch verwechselt wird. Der Sensler hat deshalb Praktiken entwickelt, um sich trotzdem zu behaupten und verständlich zu machen: Er passt sich an, stellt seine Eigenheiten hintenan und bleibt im Hintergrund.

Eine Sensler Hotline

Nun stellt Christian Schmutz in seinem Buch eine Alternativ­lösung aus dem Dilemma vor: eine Sensler Hotline. Berater Toni Schöpfer erklärt den Anrufern die Sensler Welt, entschlüsselt unverständliche Begriffe, verteilt Tipps im Umgang mit Senslern oder antwortet dem Anrufer – wenn er keine Ahnung hat – mit einem träfen Spruch. Mit der Zeit merkt er, dass er nur ein kleines Rädchen in einer grösseren Geschichte ist, und dass es um nichts Geringeres geht als um die Rettung des Sensebezirks vor einer schweizweiten Verschwörung.

Die Geschichte rund um den Kaminfeger, der unversehens zum Hotline-Berater und von einer ominösen Geisterstimme gelenkt wird, wirkt zwar etwas konstruiert und gar fantastisch. Sie hält die Geschichte aber als Rahmenhandlung gut zusammen. Gut gelungen sind auch die kleinen Porträts von Hotline-Anrufern. Durch sie bringt Schmutz kleine Gags rund um den Dialekt unter, lässt geschickt dialektologisches Hintergrundwissen einfliessen und sorgt mit den verschiedenen Charakteren für kurzweilige Schlenker, bevor die Geschichte weitergeht.

«Ich hatte schon seit Längerem die Idee, ein Kabarettprogramm rund um eine Sensler Hotline zu machen», erklärt Christian Schmutz im Gespräch mit den FN. Darin wollte er kleine Gags und witzige Besonderheiten rund um das Senslerdeutsch verpacken. Diese Idee war noch nicht ausgereift, als ihn der Zytglogge-Verlag im Sommer 2015 anfragte, ein Mundartbuch herauszugeben «Ich habe ihnen gesagt, dass ich nur Senslerdeutsch kann und bezweifelte ein wenig, ob ein Buch in dieser Sprache auf ein breites Interesse stösst», erklärt er im Gespräch. Der Verlag räumte seine Bedenken aus und stellte einzig die Bedingung, dass es eine zusammenhängende Geschichte sein soll (siehe Kasten). Nach und nach hat Christian Schmutz die beiden Elemente miteinander verbunden und die Erzählung rund um die Sensler Hotline zu Papier gebracht.

Hilfe beim Einstieg

«Ich bin mir bewusst, dass es für viele nicht einfach ist, Senslerdeutsch zu lesen», sagt Christian Schmutz. Er habe versucht, dem Leser ein paar Hilfestellungen zu geben. Zum einen rein durch die Form des Buchs: Die 17 Kapitel mit relativ kurzen Dialogen und übersichtlichen Kleinporträts sollen den Leser beim Blättern dazu animieren, reinzulesen. Zum anderen hat er auch die Schreibweise angepasst: «Ich habe mich von den Richtlinien gelöst, die im Senslerdeutschen Wörterbuch vorgegeben sind und einen literarischen Weg eingeschlagen.» So habe er etwa darauf verzichtet, Fremdwörter wie «Hotline» explizit auf Senslerdeutsch zu übersetzen. «Der Leser soll nicht durch möglichst originelle, aber schwer verständliche Schriftbilder vom Lesen abgehalten werden.»

Und es gibt noch eine dritte Schiene, auf der Christian Schmutz hofft, den Leser abzuholen: Das Buch erscheint mit einer Hör-CD. Sie enthält eine gekürzte Version des Buches, ist aber mehr als nur die Hörbuchfassung, denn die einzelnen Rollen, etwa der Anrufer bei der Hotline, werden von 23 verschiedenen Personen gesprochen beziehungsweise gespielt. Christian Schmutz fungiert als Erzähler. Bis auf zwei Ausnahmen – Niklaus Talmann und Luc Spori – sind es Laien, die in die Rollen geschlüpft sind. Der Autor nutzt auch die modernen Kommunikationsmittel, so hat er die fiktive Homepage aus dem Buch tatsächlich aufgeschaltet, für den Berater Toni Schöpfer ein Facebook-Konto eröffnet und auch die Facebook-Gruppe «D Seisler hiis böös» gegründet.

Viel investiert

Gut anderthalb Jahre hat Christian Schmutz am Buch gearbeitet. Er hat immer wieder an einzelnen Passagen gefeilt und die Kapitel überarbeitet. «Ich wollte, dass die Geschichte ‹verhäbt›, und habe dafür ‹gekrüppelt› wie noch nie.»

«Die Geschichte soll in erster Linie unterhalten», hält er fest. Er wolle weder eine Botschaft vermitteln, noch den Zeigefinger besserwisserisch erheben. «Ich spiele mit Stereotypen und Vorurteilen, spitze sie satirisch zu und gebe den Senslern und anderen Lesern so die Möglichkeit, einen interessanten Blick auf das Senslersein zu werfen.» Mit dem Resultat ist er sehr zufrieden und hofft, dass es auch den Lesern gefällt. Erste Termine für Lesungen sind in Planung, auch ausserhalb des Kantons. Dort wird er erklären können, ob und warum es denn die Sensler heutzutage wirklich bös haben, wie der Titel des Buchs vermuten lässt.

www.senslerhotline.ch

Zum Buch

«Randsprache» passt ins Programm

Der Zytglogge-Verlag setzt mit dem Buch von Christian Schmutz seine Tradition der Mundartpublikationen fort. «Uns ist es ein Anliegen, auch Dialekte zu berücksichtigen, die nicht in aller Munde sind», sagt Angelia Maria Schwaller, Lektorin im Verlag. «Wir wollen aktuelles und qualitativ ansprechendes Kulturschaffen verlegen, auch in sogenannten ‹Randsprachen› der Schweiz.» Der Verlag sei sich bewusst, dass es schwierig ist, mit einem senslerdeutschen Buch eine Leserschaft in der Ostschweiz zu gewinnen. Die Hör-CD soll helfen und eine Welt um das Buch herum schaffen, ebenso die Homepage. «Der Verlag ist mit dem Resultat sehr zufrieden», sagt sie weiter. «Besonders wichtig finde ich den Aspekt, dass man selbst über die eigenen Klischees lachen kann, weil das der Schlüssel zu einem gesunden Selbstvertrauen ist.»

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