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Geschichten für Generationen

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Zusammen bringen es Ueli Johner und Elisabeth Leu-Lehmann auf 155 Jahre Lebenserfahrung. Sie haben ihre Erinnerungen in einem Workshop verarbeitet und in Büchern niedergeschrieben. Das Produkt ihrer Rückschau halten sie nun in der Hand. «Ich hatte schon bei der Vernissage grosse Freude, als ich das Buch in den Händen hielt», sagt die frühere Fräschelser Gemeindepräsidentin und Alt-Grossrätin Leu, «ich bin stolz und glücklich, es geschafft zu haben. Ich habe immer noch grosse Freude daran.» Und Johner, Kerzerser SVP-Grossrat und Gemüsebauer im Ruhestand, fügt an: «Es ist beeindruckend, den eigenen Namen auf einem Bucheinband zu sehen.»

Leu und Johner nahmen an einem Projekt des früheren künstlerischen Direktors der Expo 02, Martin Heller, teil. Von Januar bis Mai dieses Jahres wurde die zweite Ausgabe des Workshops durchgeführt (die FN berichteten). 56 Personen begannen ihn, 45 schlossen ihn ab. Leu schätzt das Durchschnittsalter der Teilnehmer auf 68 Jahre. Edition Unik, so der Name des Oral-History-Projekts, sammelt die Geschichten vor allem älterer Menschen. Dafür durchlaufen diese ein 17 Wochen dauerndes Programm, das über eine Computerapp funktioniert. In den ersten Wochen müssen die Teilnehmer ihre Inhalte zusammentragen, diese strukturieren und ordnen, um sie dann als Text ins System einzugeben. Schliesslich müssen sie den Text selber layouten, Fotos aufladen und das fertige Produkt zu einem festen Zeitpunkt einreichen.

Als Abschluss des Projektes erhalten die Teilnehmer zwei Exemplare des Textes. Ein weiteres steht in einer Bibliothek in Zürich zur Ansicht bereit. Insgesamt trafen sich die Teilnehmer vier Mal: für eine Einführung, zwei Netzwerk-Treffen und die Vernissage. «Ich empfand den stark strukturierten Ablauf als Vorteil», sagt Leu, «man musste einfach vorwärtsmachen.» Die Organisatoren gehen davon aus, dass die Teilnehmer pro Tag 45 Minuten investieren müssen. Beim ersten Workshop sei ihr das gelungen und war hilfreich, so Leu, beim zweiten habe es mit der Disziplin etwas gehapert. «Und in den letzten Tagen vor Ende der Abgabefrist war es ein Vollzeit-Job.» Sie hatten spitz kalkuliert: Johner gab sein Werk am Nachmittag des letzten Tages ab, Leu sogar eine Stunde vor «Torschluss». «Ich erschrak ein wenig, weil es beim ersten Versuch nicht geklappt hat», erinnert sie sich. Doch dann habe die Übermittlung doch noch funktioniert.

Leu stiess anhand von Berichten in Zeitungen auf das Projekt. «Ich wollte schon länger etwas über mein Leben schreiben», sagt sie. Sie habe anlässlich von Lesungen immer wieder das grosse Interesse der Zuhörer an ihren Lebenserfahrungen bemerkt. Nun, da sie schon das zweite Buch in der Hand hält, sagt sie: «Das Projekt hat mich bereichert.» Er sei schon länger mit der Idee schwanger gegangen, sagt Johner. Er habe während seiner Führungen im Bauernmuseum Jerisberghof festgestellt, wie wenig Wissen über die Zeit seiner Jugend heute noch vorhanden sei. Das habe ihn dazu bewogen, sein Wissen, seine Erfahrung und seine Geschichten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Leu, die schon bei der ersten Ausgabe des Workshops teilgenommen hatte, habe ihn dann auf die Idee gebracht. «Genau das hat mir gefehlt», sagte er. Zwei Tage vor Ablauf der Anmeldefrist für den Workshop habe er sich eingeschrieben. Sie hätten dabei aus seinem reichen Fundus von Texten schöpfen können: Geschichtliches, Kurzgeschichten, Notizen und Reden.

«Wir wollen unseren Kindern und Enkeln etwas weitergeben, unsere Erinnerungen festhalten», begründet Johner ihre Bemühungen. Beide haben unabhängig voneinander ihre Bücher auch tatsächlich ihren Familien gewidmet. «Es ist wichtig, zu wissen, wo man die Wurzeln hat.» Aus dem Wissen der Vergangenheit lasse sich die Gegenwart besser verstehen. Es sei eine Rückschau auf das Leben und zugleich dessen Reflexion, sagt Johner: «Wir wollen erzählen, was wir während unseres Leben erlebt und erreicht haben.» Dies gelte nicht nur für Familienmitglieder, sondern überhaupt für nachfolgende Generationen. «Ich habe gemerkt, dass das gar nicht so einfach ist», räumt Leu ein.

Die Arbeit der Recherche und des Aufzeichnens sei mit grossen Emotionen verbunden gewesen, sagt Leu. Sie habe sich lange überlegt, ob sie sich diesen Emotionen stellen und ihre privaten Erfahrungen an die Öffentlichkeit tragen wollen. «Doch es war mir zu wichtig. Ich will ehrlich zu mir sein» – und damit auch zu den Lesern, auch wenn es ab und zu schmerze. Sie habe während der Arbeit am Buch festgestellt, dass sie viele Aspekte aus ihrem Leben noch nicht richtig verarbeitet hatte – ihre Krankheit zum Beispiel. «Ich habe einen Abschiedsbrief an meinen Tumor geschrieben», sagt sie. Sie habe eine Reise zu sich selbst angetreten, die ihr viel gebracht habe. «Nun kann ich froh und fröhlich sein.» Er habe in den letzten Jahren gelernt, das Leben zu geniessen, schliesst sich Johner an, sagt «Carpe diem!» und grinst.

Ausserdem sei es eine einmalige persönliche Erfahrung gewesen. Sie mussten sich nicht nur mit der Technik auseinandersetzen und sich organisieren, sie standen auch in einem Austausch mit sich selbst und den anderen Autoren des Programms, sie lernten mit dem Druck einer Produktion und einer Abgabefrist umzugehen. Noch heute stehe er mit mehreren Programmteilnehmern im Kontakt, sagt Johner. Und mit einer Teilnehmerin habe er einen besonders fruchtbaren Austausch gehabt: einer älteren Stadtzürcherin mit 68er-Vergangenheit, die über ihre Reise per Autostopp nach Marokko geschrieben hat, einem «damals verrückten Huhn», wie Johner liebevoll sagt. Sie erinnere sich an eine Pfarrersfrau, so Leu, die an einem Ausflug der Landfrauen in ein Weindorf teilnahm und aus Imagegründen auf den edlen Tropfen verzichtet hat.

Die Teilnahme am Programm kostet nicht einmal 500 Franken, zwei Bücher inbegriffen. Hätten sie die Unterstützung eines Mentors in Anspruch genommen oder einen Lektor mit dem Gegenlesen des Textes beauftragen wollen, wäre das teuer gekommen. Deshalb hätten sie darauf verzichtet, sagt Johner. Auch Leu sah darin keine Notwendigkeit: «Den einen hilft das, die anderen verwirrt es nur. Ich habe es so gemacht, wie ich es wollte.» Und wenn es halt noch den einen oder anderen Fehler drin habe, sei das nicht so schlimm. «Wir schreiben das Buch ja vor allem für uns.»

Johners Buch heisst «Erinnerige – Gedanke vo Geschter u Hüt.» Es besteht zu zwei Drittel aus seinen Mundartgeschichten und Berndeutsch-Dichtungen. Im letzten Drittel ist der Politiker am Werk. Es endet mit Johners Rede als Alterspräsident des Grossen Rates Ende 2016 und den Worten «Danke für Ihre Aufmerksamkeit.» Schon vor der Publikation seines Buches sei er immer wieder gefragt worden, ob er seine Geschichten verkaufe. Von der teuren, gebundenen Edition-Unik-Ausgabe habe er nur eine kleine Auflage bestellt – primär für den engeren Familien- und Bekanntenkreis. Um es einem breiten Publikum zugänglich zu machen, will er eine Taschenbuchausgabe drucken lassen. Diese erscheint in den nächsten Wochen. Er denkt bereits über eine Fortsetzung nach: «Mir schwebt da etwas vor …», sagt er unverbindlich schmunzelnd.

Leus erstes Buch, «Mein Aufbruch aus dem Wartesaal», ist ein allgemein gehaltener Rückblick auf ihr Leben bis etwa 2000. Das zweite, «Regionalzug ins Alter», reicht von der Mitte der 80er-Jahre bis heute. Es beinhaltet Leus soziale und politische Aktivitäten, zum Beispiel ihre Zeit als Leiterin des Alters- und Pflegeheimes Kerzers und das Jahr als Grossratspräsidentin 1999. Sie habe das Buch nur für sich und ihre Familie geschrieben, so Leu, deshalb verzichte sie auf einen Nachdruck. Sie lese lieber im kleinen Kreise Abschnitte daraus vor. Die Familie habe positiv und teils überrascht darauf reagiert. «Sie waren beeindruckt und sagten: ‹Woran Du dich alles erinnerst!› Sie staunen jedes Mal, wenn ich zu einem bestimmten Stichwort eine Geschichte aus dem Hut zaubern kann.» Und sie habe gemerkt, dass jeder das gleiche Ereignis anders wahrnehme.

Zum Projekt

Eine Generation schreibt ihre Erinnerungen nieder

Zweimal im Jahr führt das Projekt Edition Unik Workshops durch – im Frühling und im Herbst. Sie sind identisch aufgebaut und dauern je 17 Wochen. Mit jeder Ausgabe des Projekts und jedem geschriebenen Buch entsteht ein immer dichteres Netz von Erzählungen einer Generation, deren Leben nicht in Super-8-Filmen festgehalten oder auf Facebook breitgetreten wird. Es ist ein Schatz von Alltags- und Erfahrungswissen, das verloren ginge, würde man es nicht festhalten. Die Organisatoren wollen das Projekt in der Westschweiz bekannt machen, um den Kreis der Teilnehmer und der gesammelten Erinnerungen zu vergrössern. Noch immer ist das Projekt stark auf Zürich zentriert. Edition Unik ist kein Verlag und verkauft die Bücher nicht selbst. Am 13. September organisieren die Verantwortlichen des Projekts ein Treffen für Interessierte im Generationenhaus in Bern.

fca

www.edition-unik.ch

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