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Wie aus Maria Justitia wurde

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500 Jahre ist es her, seit die Reformatoren mit der katholischen Bilder-Verehrung Schluss machten. Aber wie steht es fünf Jahrhunderte später um die Bildwelt der reformierten Kirche? Johannes Stückelberger ist Kunsthistoriker an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Dieses Semester hält er eine Vorlesung über Zwingli und dessen Folgen für Kunst und Architektur. Von daher kennt er sich mit dem Thema bestens aus.

Wie kam es zum Bildersturm in reformatorischer Zeit?

Die Gründe für den Bildersturm sind komplex. Es ging um viel mehr als die Bilder. An den Bildern entzündete sich eine allgemeine Kritik an der damaligen Kirche: am Ablasshandel, am Prunk der Kirchenausstattungen, am Lebenswandel des Klerus, an den hohen Abgaben, die für Totenmessen, Öl und Kerzenwachs zu entrichten waren, und vieles mehr. Zu dieser sozialen Kritik kamen dann auch theologische Gründe: die Kritik an der Heiligenverehrung.

Was steht hinter dieser Kritik?

Die Reformatoren akzeptierten als einzige Autorität des Glaubens das biblische Wort. Personen und Frömmigkeitsformen, die in der Bibel keine Erwähnung finden, lehnten sie ab, deshalb auch die Verehrung von Heiligen. Auch die Marienfrömmigkeit wurde kritisiert. Weil die Heiligenverehrung sich oft an bildlichen Darstellungen festmachte, lehnten die Reformatoren die Bilder in Kirchen ab. Jedoch nur, wo sie Gegenstand der Verehrung waren.

Was meinte denn die katholische Kirche dazu?

Die Katholiken sagten, sie würden nicht das Bild verehren, sondern die Personen, die die Bilder darstellen. Die Reformierten fragten kritisch zurück, warum dann zum Beispiel die eine Mariendarstellung mehr verehrt würde als eine andere oder warum es Wallfahrten zu Heiligenbildern gebe.

Man spricht von «Bildersturm». Wurden aus den Kirchen nur Bilder entfernt?

Nein. Es betraf auch steinerne Skulpturen, Holzstatuen, Altargehäuse, kostbare liturgische Geräte und liturgische Gewänder. Wandbilder wurden übermalt. So wurden etwa auch viele Statuen auf dem Berner Münster entsorgt und als Füllmaterial für die Münsterplattform benutzt. Nicht tangiert waren Glasfenster, da sie ja nicht Gegenstand der Bilderverehrung waren.

Ein Sinn für Kulturgüter ging den damaligen Menschen also völlig ab.

Eigentlich schon. Einen Sinn für Kulturgüter gab es damals noch nicht. Man wusste schon um den Wert gewisser Kunstwerke. Aber dieser zählte weniger als die Funktion. Wo ein Kunstwerk seine Funktion verlor, weil sich das Gottesdienstverständnis wandelte, verlor es auch seine Legitimität. Denkmalpflege im heutigen Sinn gab es damals noch nicht. Sie ist ein Kind des 19. Jahrhunderts.

Der sogenannte «Bildersturm» soll vielerorts durchaus gesittet vonstattengegangen sein.

Hier gab es Unterschiede zwischen den Schweizer Städten. In Basel wurden die Kirchen gestürmt und die Holzaltäre auf dem Platz vor dem Münster verbrannt. In Zürich verlief es gesitteter. Hier versuchte der Rat, die Kontrolle zu behalten, nachdem es 1523 auf der Landschaft vereinzelt zu spontanen Bilderstürmen gekommen war. Er beauftragte für die Stadt eine Kommission mit der Entfernung der Bildwerke. Die Kirchen wurden dafür geschlossen, die Demontage wurde von Handwerkern fachkundig vorgenommen. Viele der Kunstwerke wurden an ihre Spender zurückgegeben. So sind etliche der vorreformatorischen kirchlichen Ausstattungsstücke erhalten geblieben, obwohl sie nach der Reformation in den Kirchen eigentlich keinen Platz mehr hatten.

Und wie steht es heute um die Bilder in den reformierten Kirchen?

Wie schon angedeutet, wurden in der Reformation nicht alle Bilder aus den Kirchen entfernt. So blieben in reformierten Kirchen etliche Bilder aus der Zeit vor der Reformation erhalten. Bestes Beispiel ist das Hauptportal des Berner Münsters. Dessen Entfernung hätte den Bernern zu sehr wehgetan, zumal das Münster erst kurz vor der Reformation fertiggestellt worden war. Einzig der Marienstatue am Mittelpfeiler des Hauptportals nahm man das Kind aus der Hand, gab ihr dafür eine Waage und ein Schwert und verwandelte sie so in eine Justitia. Das Gleiche ereignete sich übrigens mit einer Marienfigur am Basler Rathaus. Auch die kürzlich restaurierten Schlusssteine im Chor des Berner Münsters blieben erhalten, obwohl sie allesamt Heilige darstellen. Da liess man einen gewissen Pragmatismus walten.

Es gab also Kompromisse?

Ja. Die Reformatoren lehnten ja die Bilder nicht prinzipiell ab, sondern nur jene Bilder, die Gegenstand der Verehrung waren.

Schliesslich kehrten die Bilder vollends in die Kirchen zurück …

Dazu kam es aber erst im 19. Jahrhundert, als im Zuge des Historismus auch die Reformierten einer Mittelalterbegeisterung frönten. Da wurde zum Beispiel das Basler Münster wieder mit farbigen Glasfenstern ausgestattet.

Wie sieht es mit dem Kreuz bei den Reformierten aus?

Laut Zwingli braucht es in einer Kirche kein Kreuz, und so waren die reformierten Kirchen bis ins 20. Jahrhundert ohne Kreuz. Anders als bei den Lutheranern, wo das Kruzifix, das heisst das Kreuz mit Korpus, der Darstellung des gekreuzigten Jesus, obligat auf dem Altar stehen muss. Das hängt mit dem unterschiedlichen Abendmahlverständnis zusammen. Für die Lutheraner ist Jesus im Abendmahl immer wieder neu präsent. Für die Reformierten hingegen ist Jesus ein für alle Mal in den Himmel aufgefahren. Das Abendmahl ist für sie ein reines Gedächtnismahl.

Im 20. Jahrhundert kehrten dann aber die Kreuze auch in die reformierten Kirchen der Schweiz zurück.

Ja, insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Regel sind es schlichte Holzkreuze, immer ohne Korpus. Die Kreuze in reformierten Kirchen sind Zeichen, Symbole.

In vielen reformierten Kirchen der Schweiz findet man grosse Schriftzüge aus der Bibel an den Wänden …

Ja, das ist typisch protestantisch. Man findet solche Bibelsprüche nicht nur bei den Reformierten, auch bei den Lutheranern. Das geht auf das für die Protestanten wichtige Prinzip des «sola scriptura» (allein die Schrift) zurück. Der einzige Referenzwert für die Protestanten ist das Evangelium, die Bibel.

Insgesamt gab es also viele Kompromisse.

Ja, eine absolut strikte Bilderlosigkeit wie etwa der Islam kennen die Reformierten nicht.

«Die Reformatoren lehnten ja die Bilder nicht prinzipiell ab.»

Zur Person

Ein Spezialist für Kirchenästhetik

Johannes Stückelberger wurde 1958 in Schaffhausen geboren. Er studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Basel und München. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Kunstgeschichte des 16. bis 21. Jahrhunderts, die Religions- und Kirchenästhetik, der Kirchenbau, die Kunst im öffentlichen Raum, die Schweizer Kunst und die politische Ikonografie. Seit 2010 ist er Dozent für Religions- und Kirchenästhetik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern.

jcg

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