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«Alt werden hat auch seine Chancen»

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Das neue Buch des Freiburger Pastoraltheologen Leo Karrer ist ein sehr persönliches Werk. Im Gespräch blickt er auf dessen Entstehungsgeschichte zurück.

Was gab Ihnen den Anstoss zum Schreiben Ihres neuen Buches?

In den letzten Jahren wurde ich immer wieder als Referent zu Tagungen mit Verantwortlichen für Seniorenseelsorge eingeladen – in Deutschland, Österreich und im Südtirol. Dabei habe ich festgestellt, dass das Thema «Älter werden» bei den Beteiligten eine enorme atmosphärische Dichte erzeugt. Aus den Erfahrungen und Anregungen, die ich bei Konferenzen in Osnabrück und St.  Pölten gewann, ist dieses Werk entstanden.

Wenn man Ihr Buch liest, erkennt der Leser: Alt werden hat nicht nur Schattenseiten, sondern auch Chancen.

Im Blick auf das gesellschaftliche Image, das das Alter und alte Menschen haben, frage ich mich manchmal schon: Gehöre ich bei Teilen der Gesellschaft zur Altlast, die es zu entsorgen gilt? Gerade die Diskussion um das Thema Sterbehilfe zeigt den Ernst dieser Frage. Ist man nur noch als Marktfaktor für Reiseunternehmen oder für die Ärzteschaft interessant? Die Fragen der Lebensbilanzen, der Rollen- und Status-Verluste, die Todesfälle im persönlichen Umfeld sowie Krankheit – all das sind Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Alt werden ist auch eine Herausforderung, die man nicht nur beschönigen kann. Alt werden hat jedoch auch seine Werde-Chancen. Dies zu zeigen, ist das Hauptanliegen meines Buches. Ich wünsche mir das Älterwerden als bereichernden Lernprozess. Alt werden ist kein Abstellgleis, sondern bedeutet auch Würde im Sinne von Lebensentfaltung, Wachsen, Reifen und Annahme der Schattenseiten. Es geht um Achtsamkeit für den jeweiligen Rhythmus des Lebens bis hin zum Sterben, in dem die lebenslange Geburt zur Erfüllung findet, wie schon der Theologe und Mystiker Karl Rahner sagte.

Sie plädieren für eine schöpferische Erinnerungsarbeit. Wie sieht diese für Sie konkret aus?

Ich kann es nicht oft genug sagen: Älter werden, ist Werden, nicht nur ein Manko. Es gelingt nicht automatisch, sondern ist auch Arbeit an sich selbst. Von besonderer Bedeutung ist mir dabei eine schöpferisch und aufbauende Erinnerungsarbeit. Erinnerung als Lebensrückblick kann sich als Vorrat und Ressource für den weiteren Weg erweisen, gerade, wenn er steinig wird. Ich finde es allein schon bereichernd, wenn man das Leben als menschlichen Werdeprozess versteht, in dem es Lebensphasen in verschiedenen Farbtönen gibt. Schöpferische Erinnerung bedeutet für mich auch: Es darf nicht zum rückwärts orientierten Rückzug kommen. Und im Phantomschmerz der Ewiggestrigen erkenne ich keinen schöpferischen Umgang mit der Vergangenheit. Auch in der Kirche nicht. Vielmehr sollten Ältere sich auch fragen: Wie vermittelt man seine früheren Lebens- und Berufserfahrungen der heutigen Jugend? Und: Wo können wir uns noch einbringen? Wir Senioren sollten auch Brückenbauer zwischen den Generationen sein. Schöpferische Erinnerung ist zudem nur möglich, wenn wir damit eine kreative Hoffnung auf das noch nicht Erfüllte, aber Verheissene verbinden. «Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten», sagte der Religionsphilosoph und Theologe Romano Guardini. Und dies ist für mich ohne den Horizont unseres Glaubens kaum denkbar.

Durch Ihr Buch ziehen sich die Worte «Dankbarkeit» und «Versöhnung». Warum sind diese beiden Punkte so wichtig im Reifungsprozess im Alter?

Dankbarkeit zu empfinden ist eine Gabe, schöpferisch mit der Vergangenheit umzugehen. Ich wünsche uns allen eine eingeübte Achtsamkeit für all das, was man im Leben geschenkt bekommen hat. Das führt zu Dankbarkeit und Freude, nicht zu Zynismus und Resignation. Versöhnung im Alter hingegen heisst für mich: Versöhnung mit dem Leben, mit sich selbst und mit den anderen und vor Gott. Das ist nicht immer einfach. Das zeigt sich nicht nur im beruflichen, sondern auch im familiären Umfeld. Aber nur so gelingt für mich ein schöpferischer Umgang mit der Vergangenheit im Jetzt des Älterwerdens. Dabei muss man sich auch mit Versagen und mit der Verarbeitung vermeintlicher und echter Schuldgefühlen auseinandersetzen. Versöhnung im Alter heisst verzeihen, aber auch um Verzeihung bitten. Versöhnung bedarf der Achtsamkeit, der Ehrlichkeit und des Mutes, mich dem Konflikt zu stellen sowie auf andere zuzugehen. Spiritualität im Alter heisst somit: Sich der eigenen und der fremden Wirklichkeit stellen. Zur Versöhnung gehört auch, dass man nie zum Feind der Gegner wird.

In welcher Lebensphase sehen Sie sich derzeit, und wie fühlt sich das an?

Ich werde nicht nur alt, mit meinen 80 Jahren bin ich alt. Es ist eine Phase intensiver Dankbarkeit, aufmerksamer Wahrnehmung der eigenen Biografie und der Lebenswege anderer und der wachsenden Entschiedenheit zum persönlichen Lifestyle.

«Gehöre ich bei Teilen der Gesellschaft zur Altlast, die es zu entsorgen gilt?»

Leo Karrer

Pastoraltheologe

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