Unbestritten ist, dass der Nachfolger von Bundesrat Didier Burkhalter der lateinischen Schweiz angehören muss. Doch ob dieser nun aus dem Tessin oder aus der Westschweiz kommen muss, spaltet das Land.
Die Tessiner FDP portiert Ignazio Cassis, die FDP Waadt Isabelle Moret und die Genfer Liberalen schlagen den Staatsrat Pierre Maudet vor. Die Bundesverfassung von 1999 schreibt sinngemäss vor, dass bei der Wahl des Bundesrates die Sprachregionen angemessen vertreten sein müssen. Es schleckt keine Geiss weg: Der Anspruch des Kantons Tessin ist ausgewiesen, derjenige der Waadt und von Genf aber in keiner Weise. Würde Moret oder Maudet gewählt, hätte das Dreieck Bern-Freiburg-Waadt (Genf) sage und schreibe fünf Bundesräte. Es wäre also ein unüberlegter Akt der Vereinigten Bundesversammlung, wenn sie der Waadt oder Genf den Vorzug gäbe und das Tessin aussen vor bliebe.
Der Kanton Tessin ist nicht ein zufälliges Anhängsel jenseits des Gotthards, das der übrigen Schweiz so gut gefällt, um in der Sonnenstube Ferien zu verbringen und dabei die Leichtigkeit des Seins mit südlichem Ambiente zu erleben. Mit der Parole «Liberi e svizzeri» ist der Südkanton seinerzeit zur Schweiz gestossen und leistet seither treu seinen Beitrag zum Wohl der Eidgenossenschaft. Seit 18 Jahren ist das Tessin in der Landesregierung nicht mehr vertreten, und es ist Zeit, dass dies ändert.
Dieser eidgenössische Stand hat mit zahlreichen Widrigkeiten zu kämpfen wie Dumpinglöhnen mit italienischen Grenzgängern als billiger Konkurrenz einheimischer Arbeitskräfte, Konkurrenz einheimischer Betriebe mit italienischen KMU, Spannungen mit Italien. Da braucht es einen Vertreter des Südkantons in der Regierung, der diese Anliegen authentisch vertreten und einbringen kann.
Mit Ignazio Cassis hat die Tessiner FDP einen valablen Kandidaten vorgeschlagen, der auf jeden Fall aufs Dreierticket der FDP-Bundeshausfraktion zuhanden der Vereinigten Bundesversammlung gehört. Das Parlament ist gut beraten, wenn es im Interesse der politischen Ausgewogenheit und Korrektheit dem Bewerber aus der Südschweiz den Vorzug gibt.
«Es schleckt keine Geiss weg: Der Anspruch des Kantons Tessin ist ausgewiesen, derjenige der Waadt und von Genf aber in keiner Weise.»