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«Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Nun also auch ich. Ich weiss nicht, welcher Teufel mich ritt, der freundlichen Stimme am Telefon zuzusagen. «Herr E. hätten Sie nicht Lust für unsere Tageszeitung (der bekanntlich einzigen deutschsprachigen unserer Region) ab und zu eine Kolumne zu schreiben?» Während ich krampfhaft überlegte, wie ich ein klares NEIN überzeugend formulieren könnte, kam der nächste Satz: «Wir sind überzeugt, Sie können das (yes, you can), beziehungsweise Sie schaffen das!» Fühlte ich mich geschmeichelt? Auf jeden Fall wurde mein Nein schon schwächer, möglicherweise bin ich ja wirklich ein bisher zu Unrecht verkanntes Genie und hier böte sich nun eine einmalige Gelegenheit. Und überhaupt, man kann doch einer so freundlichen Stimme nicht einfach absagen? Um mein Gesicht zu wahren, stotterte ich die üblichen Phrasen, wie «Zeit zum Überlegen», «schwer beschäftigt», «darüber schlafen» und so weiter. «Kein Problem», klang es aus dem Hörer, «haben Sie vielen Dank, ich schicke Ihnen schon mal den Einsatzplan, wir zählen auf Sie.»

 

Und so gehöre ich nun ebenfalls zur berühmten Gilde unserer Kolumnenschreiber, gehöre zum erlauchten Kreis jener Menschen aus Wissenschaft, Politik, Sport und Wirtshaus, äh, Wirtschaft, die sich für so wichtig halten, ihren Mitmenschen mehr oder weniger kluge Ratschläge zu erteilen, zu erklären, warum und wie die Welt sich dreht, und was man dagegen tun kann.

Auf der Suche nach einem «würdigen» Einstieg kam mir obgenanntes Sprichwort in den Sinn: «Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.»

Ein bekanntes Sprichwort (es soll von Bertolt Brecht stammen), jeder hats schon mal gehört, gelesen oder gar selbst angewandt. Mir wurde es zum ersten Mal in der Rekrutenschule so richtig um die Ohren gehauen, bloss weil ich es wagte, zu unserer, damals noch unfehlbaren und alleinselig machenden Armee einige kritische Fragen zu stellen. Eine Bemerkung für die jüngere Generation: Zur Zeit meiner RS (1970) war unsere Welt aufgeteilt in Gut und Böse. Wir im Westen waren die Guten und im Osten, sprich Sowjetunion, war das Reich des Bösen, die Kommunisten, die Russen. Die Schweiz war eine Insel der Glückseligkeit, ohne Frauenstimmrecht und als militärischer Beitrag zur Bewältigung antisemitistischer Tendenzen stand auf dem Menüplan der Armeeküche regelmässig «gschtampfta Jud».

Und wer auch immer an diesem Selbstverständnis zweifelte oder es gar kritisch hinterfragte, galt als Nestbeschmutzer oder im übertragenen Sinn als allerdümmstes Kalb, das den Metzger (die Kommunisten) selber auswählte, und die harmloseste Empfehlung für solche «Defätisten» war, sich ein Billett «Moskau einfach» zu lösen. Ich muss sagen, ich war beeindruckt von der Schlagfertigkeit und Wortgewandtheit des Kompanie-«Führers». Allerdings fragte ich mich schon damals: «Was machen denn die klugen Kälber?» So wie ich die Lage der Kälber einschätze, endet ihr Schicksal früher oder später sowieso beim Metzger. Ist es unter diesem Gesichtspunkt wirklich nur dumm, wenn das Kalb den Metzger selber wählt, und wieso ist es ein Zeichen von Klugheit, nicht zu wählen und sich irgendwohin prügeln zu lassen? Na ja, offensichtlich haben die Kälber ja keine echte Alternative, aber das eine als dumm und das andere als klug zu bezeichnen, zeugt auch nicht gerade von grosser Klugheit.

Wie dem auch sei, inzwischen hat die Sowjetunion samt kommunistischer Doktrin Schiffbruch erlitten, der Vorsitzende der letzten kommunistischen Grossmacht wurde in Bern mit allen (auch militärischen) Ehren empfangen, die Russen durchbrachen trotz ausgeklügelter Strategien die schweizerischen Verteidigungslinien (zumindest im Eishockey), und unsere in der Zwischenzeit etwas ratlosen und orientierungslosen Strategen schauen immer noch nach Osten und suchen verzweifelt nach Argumenten, um ihre geliebte Armee in dieser Form aufrechtzuerhalten. So gesehen muss es in dieser Denkweise beinahe ein Glücksfall sein, wenn Flüchtlinge von Osten her versuchen, in die Schweiz einzureisen. Auch wenn die Abwehr von Flüchtlingen bei weitem nicht so ehrenvoll sein kann wie die Welt vor dem Bösen zu retten.

Und ich, seinerzeit allerdümmstes Kalb, weiss immer noch nicht wirklich, was ich tun muss, um ein kluges Kalb zu werden … wer hilft mir?

 

Der Düdinger Franz Engel ist pensionierter Arzt und verbringt nun seine freie Zeit mit Fischen und dem Hüten der Enkelkinder. Als Gastkolumnist bearbeitet er im Auftrag der «Freiburger Nachrichten» in regelmässigem Rhythmus selbst gewählte Themen.

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