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«Welche Medien wollen wir?»

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Manuel Puppis, wir stimmen am 4. März über die Abschaffung der SRG ab. Eine radikale Forderung, die – so scheint es – plötzlich im Raum steht. Was ist passiert?

Es gibt verschiedene Aspekte, die eine solche Forderung begünstigen. Zum einen befinden sich die Medien in der Krise. Es ist schwieriger geworden, Journalismus zu finanzieren, und im Internet stehen Zeitungen und SRG in Konkurrenz zueinander. Deshalb sind viele Zeitungsverlage der SRG gegenüber kritisch eingestellt. Von einer knappen Ablehnung der Initiative erhofft man sich medienpolitischen Rückenwind, um so die SRG zu schwächen und selbst bessere Konditionen am Markt zu erhalten. Aber das ist meiner Meinung nach ein Fehlschluss.

Warum?

Die grosse Konkurrenz ist nicht die SRG. Es sind Google, Facebook und Konsorten. Das kann man in den USA beobachten, wo der Markt viel grös­ser ist und der Service public schwach. Den Zeitungen geht es trotzdem nicht besser, weil die Werbung ins Internet abwandert.

Was sind die anderen Gründe, welche die No-Billag-Initiative möglich machten?

Eine veränderte Mediennutzung. Viele Junge nutzen vor allem YouTube, Facebook und Snapchat. Dabei überlegen sie allerdings nicht, dass die Inhalte, die sie da konsumieren, von irgendwem produziert und finanziert werden mussten. Und das sind eben private Medien und die SRG.

Die Initianten sind libertäre und rechtskonservative Jungpolitiker. Was treibt sie um?

Rechtskonservative Kreise nehmen die SRG als politisch zu links wahr. Es gibt allerdings keine wissenschaftlichen Belege, dass dem so ist. Im Gegenteil: Die SRG ist zur politischen Ausgewogenheit verpflichtet. Es gibt wohl keine Partei, die sich ernsthaft beschweren darf, dass sie zu wenig Aufmerksamkeit in den Programmen der SRG bekommt. Und bei einem Verstoss gegen die Ausgewogenheit kann man sich an die Unabhängige Beschwerde­instanz wenden.

Die libertären Initianten wollen die Medien komplett dem Markt überlassen. Kann das funktionieren?

Nein. Die Fixkosten der audio-visuellen Medien sind zu hoch, trotz Digitalisierung. Die Schweiz ist nicht nur ein Kleinstaat, sie ist auch mehrsprachig und hat gleichsprachige Nachbarstaaten. Wir haben vier kleine Medienmärkte mit sehr kleinen Werbe- und Publikumsmärkten. Zum Vergleich: Deutschland hat 80 Millionen Einwohner. Dagegen sind die Werbeeinnahmen in der Deutschschweiz mit 5 Millionen Einwohnern sehr begrenzt. Was sich damit finanzieren lässt, ist sehr überschaubar. Das heutige Radio-, Fernseh- und Onlineangebot der SRG jedenfalls lässt sich nicht alleine mit Werbung bezahlen.

Wie gross ist der Werbekuchen in Zahlen ausgedrückt?

2016 wurden mit Fernsehwerbung 775 Millionen Franken umgesetzt. Davon gehen aber über 40 Prozent ins Ausland, weil deutsche und französische Sender wie Pro 7 und Sat 1 für das Publikum in der Schweiz Schweizer Werbung zeigen. Dass die Werbung abwandert, ist darum möglich, weil wir diese Sender hierzulande verstehen. Dieses Problem haben viele andere Klein­staaten nicht.

Die Befürworter von «No Billag» sagen, dass die Konsumenten selber entscheiden können sollen, wofür sie bezahlen. Ist es denkbar, dass für Informationen bezahlt wird?

Pay-TV funktioniert für Sport und Unterhaltung. In Deutschland haben allerdings nur zwölf Prozent der Haushalte einen Bezahlsender abonniert. Wenn man das auf die Schweiz umrechnen würde, mit einem sehr viel kleineren Publikumsmarkt, sind die Einnahmen, die mit Pay-TV erzielt werden können, sehr klein.

Selbst im Zeitalter von Netflix?

Erstens veröffentlicht Netflix keine Zahlen. Zweitens kann es seine Inhalte auf der ganzen Welt zeigen und erreicht damit eine viel grössere Zahl potenzieller Abonnenten als nur die kleine Deutschschweiz. Und drittens setzt Netflix nur auf Unterhaltung. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Netflix je Sendungen für die Schweiz produzieren wird.

Und wie steht es mit Informationskanälen?

Mit Information lässt sich nur bedingt Geld verdienen, weil Informationen sogenannt öffentliche Güter sind.

Was heisst das?

Selbst wenn Sie nichts für Medien bezahlen, bekommen Sie mit, dass US-Präsident Trump ans WEF in Davos kommt. Entweder über einen Zeitungsaushang oder über einen Freund.

Aber die Information fällt ja nicht vom Himmel.

Ja, aber nur wenn Sie die Details kennen wollen oder eine Einordnungsleistung möchten, müssen Sie zahlen. Und hohe Preise wollen wir für Medien trotzdem nicht zahlen. Obwohl die Medieninhalte von grossem Nutzen für die Teilnahme an Gesellschaft und Demokratie sind – in der Wissenschaft sprechen wir von den positiven Externalitäten – wird der Nutzen von den Konsumenten nicht so wahrgenommen. Das wiederum führt zu einer tiefen Zahlungsbereitschaft für Informationen.

Zur Erinnerung: Wie ist der gebührenfinanzierte Rundfunk in der Schweiz entstanden?

In der Schweiz entstanden in den 1920er-Jahren Radiostationen in Zürich, Bern, Lausanne und anderen Städten. Doch die Finanzen reichten nicht für ein professionelles Programm, weshalb der Bund die Gründung der SRG als nationaler Organisation mit drei Landessendern vorantrieb. Als Gegenleistung für die Gebührenfinanzierung musste die SRG einen Programmauftrag erfüllen. Und von Beginn weg flossen aus Solidaritätsgründen Gelder aus der Deutschschweiz in die kleineren Sprachregionen. Viel später kam dann das Fernsehen dazu.

Printmedien, die privat finanziert sind, berichten auch ohne Auftrag faktenbasiert und halten sich an das Sachgerechtigkeitsgebot. Privat finanziert heisst also nicht zwingend unausgewogen?

Nein, aber privat finanzierte Medien sind nicht zur Ausgewogenheit verpflichtet. Es gibt ja auch klar ideologisch ausgerichtete Zeitungen. Die ausgewogene Berichterstattung ist für Regionalzeitungen heute aber auch kommerziell wichtig. Wenn eine Regionalzeitung sich nur an Anhänger einer Partei richten würde, hätte sie nicht genügend Publikum. Aber Presse und Rundfunk unterscheiden sich auch sonst. Die Produktion von Fernsehen ist viel teurer. Und Privatfernsehen wird alleine durch Werbung finanziert. Das heisst, private Sender müssen Sendungen produzieren, mit denen sie Werbung verkaufen können. Deshalb unterscheiden sich Sender wie 3+ auch klar von einem Service public. Zudem werden nur wenige Eigenproduktionen gemacht.

Was steht am 4. März auf dem Spiel?

Letztlich stimmen wir über unsere Medienlandschaft und eine bestimmte Form der Schweizer Demokratie ab. Wollen wir uns in diesem Land noch Medien und Journalismus leisten, die wir für unsere Demokratie brauchen? Es geht auch um die Solidarität zwischen den Landesregionen. Wird «No Billag» angenommen, können sich das Tessin, die Romandie und die rätoromanische Schweiz keine Informa­tions­sender mehr leisten. In der Deutschschweiz wird ein Regionalfernsehen mit Informationssendungen in der wirtschaftsstarken Region Zürich noch möglich sein. Ansonsten dürften nur Sender übrig bleiben, die sich auf Unterhaltung fokussieren, vor allem auf eingekaufte Serien und Filme. Und auch Regionalradios werden ihr heutiges Informationsangebot in Randregionen nicht mehr finanzieren können.

Was sagen Sie jungen Leuten, die weder Fernsehen schauen noch Radio hören, und darum nicht bereit sind, Gebühren zu zahlen?

Fernsehen bedeutet heute nicht mehr, vor einem Fernsehgerät zu sitzen. Über YouTube und Facebook können die Jungen Information und Unterhaltung konsumieren. Doch diese Inhalte muss auch jemand produzieren. Das kostet Geld. Hier sehe ich die Zukunft des Service public. Die SRG muss ihre Schweizer Inhalte nicht nur im klassischen Radio und Fernsehen, sondern auch online verbreiten dürfen, um für die Zukunft gerüstet zu sein und auch junge Menschen zu erreichen. Man kann der SRG nicht enge Fesseln anlegen und ihr gleichzeitig vorwerfen, sie mache nichts auf Internet. Die SRG braucht ja nur einen Youtube-Kanal für Junge zu betreiben und schon gibt es einen Aufstand.

Einschränkungen sind also nicht die Lösung?

Nein. Man muss der SRG erlauben, online zu gehen und innovativ zu sein. Deswegen muss sie ja trotzdem nicht eine Onlinezeitung produzieren.

Wie kann man denn verhindern, dass sich die Medien in der Schweiz gegenseitig kannibalisieren? Brauchen auch Private staatliche Medienförderung?

Angesichts der Krise privater Medien müssen wir darüber nachdenken. Jedenfalls kann es nicht sein, dass wir mit «No Billag» die einzige Finanzquelle für Medien abschaffen, die heute noch gut funktioniert.

Manuel Puppis ist Ordentlicher Professor für Mediensysteme und Medienstrukturen an der Universität Freiburg. Er ist Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission EMEK. Das Interview widerspiegelt die persönliche Meinung von Manuel Puppis.

«Es kann nicht sein, dass wir mit «No- Billag» die einzige Finanzquelle für Medien abschaffen, die heute noch gut funktioniert.»

Manuel Puppis

Medienwissenschaftler

«Mit Information lässt sich nur bedingt Geld verdienen.»

Manuel Puppis

Medienwissenschaftler

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