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Schüler des Dschihadismus verdächtigt

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Das Phänomen der dschihadistischen Radikalisierung ist in der Schweiz und in Europa eine Realität. Dies schreibt der Freiburger Staatsrat in seiner gestern veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der sozialdemokratischen Grossräte Xavier Ganioz (Freiburg) und David Bonny (Prez-vers-Noréaz). Diese hatten sich Anfang Mai danach erkundigt, welche Strategie der Kanton zur Prävention gegen eine dschihadistische Radikalisierung im Sinn hat.

Der Staatsrat sei sich dieser Problematik äusserst bewusst und mache daraus eine vordringliche Angelegenheit der Sicherheit, heisst es in der Antwort der Kantonsregierung. Die Kantonspolizei sei daran, sowohl auf strategischer als auch auf operationeller Ebene ihre Tätigkeit bei der Aufdeckung und der Prävention zu verstärken. Nach den Attentaten in Paris im Januar 2015 habe die Kantonspolizei daher einen Stab mit dem Namen «Vigipol» geschaffen, dem Kräfte der bürgernahen Polizei, der Kriminalpolizei und des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) angehörten. So könne das Thema verfolgt und gut überblickt werden. Dank dieser Dynamik, die seit Januar 2015 bei der Kantonspolizei geschaffen worden sei, sei die Koordination der gemeldeten Fälle mit den Partnern der Kantone und des Bundes gut. Und auch mit der Direktion für Erziehung, Kultur und Sport (EKDS) pflege die Polizei eine direkte Zusammenarbeit «frei von Schwerfälligkeit und unnötigem Formalismus». Zur Frage, ob es Bewohner des Kantons Freiburg gebe, die als Dschihadisten in den Krieg gezogen seien, liefert der Staatsrat «aus Gründen der Sicherheit des Personals und wegen der Geheimhaltung bei gerichtlichen und polizeilichen Schritten» keine öffentliche Information.

Präventionsarbeit in den Schulen

Die Schuldirektoren des Kantons seien darüber informiert worden, wie wichtig es sei, jeden Verdacht direkt der Polizei zu melden. Seit 2015 hätten die Schulen der Sekundarstufe 2 der Polizei allerdings lediglich zwei Schüler gemeldet. Die Polizei habe nach Abklärungen in beiden Fällen feststellen können, dass keine Dschihadismusgefahr bestand. Man könne auch feststellen, dass der Dschihadismus für die Jugendlichen im Kanton kein besorgniserregendes Thema sei.

Die EKSD betreibe in Zusammenarbeit mit der Polizei auch Prävention bei Jugendlichen der 7. Klasse und der Orientierungsschule, um sie darauf hinzuweisen, was beim Mediengebrauch erlaubt und was ver­boten sei. Im Übrigen weist der Staatsrat auf das neue, im Mai veröffentlichte kantonale Konzept für die Integration von Medien sowie Informations- und Kommunikationstechnik in den Unterricht hin (die FN berichteten). Die Gefahren bei der Internetnutzung würden von den Lehrkräften auch im Fach «Gesellschaft» behandelt.

Reell sei die Radikalisierungsgefahr jedoch im Gefängnisbereich. In den Freiburger Einrichtungen haben die Verantwortlichen das Problem allerdings im Griff, nicht zuletzt dank den Dienstleistungen eines gut ausgebildeten Imams in den Anstalten Bellechasse.

«Banale Antwort»

Von den muslimischen Institutionen im Kanton wollte auf Anfrage hin niemand zum Bericht des Staatsrats nehmen. Wohl aber die beiden Grossräte, die mit ihrer Anfrage das Ganze ins Rollen gebracht hatten. David Bonny zeigte sich auf Anfrage nicht in allen Aspekten zufrieden mit der Antwort des Staatsrats. Er bedauert, dass die Kantonsregierung zur Anzahl Freiburger Dschihadisten und zur Frage, was mit diesen nach ihrer Rückkehr geschehe, nichts gesagt habe. «Die Bevölkerung hat doch ein Recht drauf, zu wissen, ob es hier im Kanton Dschihadisten gab», sagte er. «Da hätte ich mir noch mehr Transparenz des Staatsrats gewünscht.» Eine Lücke stellt aus seiner Sicht auch die Frage dar, wie es mit der Kontrolle von Schulabgängern und jungen arbeitslosen Erwachsenen nach dem Schulabschluss aus­sehe. Es sei bekannt, dass diese Gruppe der 20- bis 30-Jährigen für dschihadistische Radikalisierung besonders anfällig sei.

Xavier Ganioz sprach gar von einer «banalen» Antwort des Staatsrats. In fast allen Aspekten verweise die Kantonsregierung lediglich auf die Arbeit der Kantonspolizei. Ganioz wünscht sich wenigstens einmal pro Jahr eine Auskunft zu der Anzahl Dschihadisten aus dem Kanton Freiburg. Eine solche Auskunft würde seiner Meinung nach auch kein Sicherheitsrisiko darstellen.

Zahlen und Fakten

Heiliger Krieg – der Dschihad

Der Begriff Dschihad bezeichnet im Islam «die Anstrengung» oder «der Kampf», und zwar «auf dem Wege Gottes». Im Koran und in der Sunna bezeichnet dieser Begriff primär einen militärischen Kampf. Es geht aber aus dem Koran nicht eindeutig hervor, ob es sich dabei um einen universellen Kampf gegen Andersgläubige handelt oder ob dieser Kampf nur defensive Ziele verfolgt. Im nichtmilitärischen Sinne kann der Dschihad als innerer Kampf gegen die Untugend, die Verbreitung des Islams auf friedlichem Weg oder ein richtiges moralisches Verhalten verstanden werden. Bei vielen Terroranschlägen der jüngsten Vergangenheit rechtfertigten die Attentäter ihr Handeln mit dem Verweis auf den Dschihad. Selbstmordattentäter werden als Märtyrer bezeichnet, denen ein Platz im Paradies sicher sei. An sich gilt Suizid im Islam aber als Sünde. Der Internationale Islamische Gelehrtenrat verurteilte im «Manifest von Mekka» nach den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001 «Extremismus, Gewalt und Terrorismus» und hielt fest: «Dschihad ist nicht Terrorismus».

jcg

 

Expertenmeinung

«Ein Weltbild mit apokalyptischen Zügen»

Ein guter Kenner der Materie ist Hansjörg Schmid. Er ist nicht nur Professor für Interreligiöse Ethik und christlich-muslimische Beziehungen an der Universität Freiburg, sondern auch Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft der Universität Freiburg (SZIG), einem Kompetenzzentrum für aktuelle gesellschaftliche Fragen zum Islam in der Schweiz, das eine landesweite Ausstrahlung hat.

«Es gibt eine grosse Pluralität innerhalb des Islams», sagt Schmid. Man müsse klar zwischen Muslimen, radikalisierten Muslimen und potenziellen Dschihadisten unterscheiden. «Es gibt einen breiten friedlichen Islam, dem die gemeinsame Geschichte mit dem Judentum und dem Christentum sehr wichtig ist», so der Direktor. «Daneben steht der Dschihadismus als Sonderform, der sich dadurch auszeichnet, dass er die Welt auf gewaltsame Weise von allem, was seine Anhänger als sündhaft und böse betrachten, befreien will.» Die grosse Mehrheit der Muslime wende sich aber ganz klar vom Dschihadismus ab und halte ihn sogar für unislamisch.

Insgesamt sei der Dschihadismus in der Schweiz eine Randerscheinung, so Schmid. «Seit 2001 sind gerade einmal 88 Schweizer in den Dschihad gezogen», sagt er. «Natürlich ist jeder einer zu viel, doch verglichen mit anderen Ländern ist das doch eine relativ überschaubare Zahl.» Schwieriger sei es zu sagen, wie viele Sympathisanten der Dschihad in der Schweiz habe. Zu einer Radikalisierung komme es jedenfalls fast nie von heute auf morgen. Vielmehr handle es sich um einen Prozess, der auch Individuen erfassen könne, die vorher nicht einmal religiös gewesen seien. Bei diesem Prozess werde eine regelrechte Ideologie mit einer scharfen Trennlinie zwischen Gut und Böse konstruiert. «Oft steht am Anfang eine gewisse innere Bereitschaft und Suche», so Schmid. «Wer eine starke, gefestigte Identität hat, wird nicht zum Dschihadisten.» Wissenschaftler hätten die Biografien diverser Dschihadisten untersucht und dabei festgestellt, dass es doch ein gewisses wiederkehrendes Verhaltensmuster gebe. Viele Dschihadisten hätten vor ihrer Radikalisierung Erfahrungen des Ausschlusses in der Arbeitswelt oder der Schule gemacht oder seien selbst Opfer von Gewalt geworden. Solchen Personen könne der Dschihadismus tatsächlich eine spezielle Art von Sinnangebot liefern. «Oft geht es um das Gefühl, etwas Besonderes zu ein», bemerkt Schmid dazu. «Man fühlt sich auserwählt, die Welt vom Bösen zu befreien.» Dieses Weltbild habe letztlich geradezu apokalyptische Züge.

Schweiz ist sekundäres Ziel

Wie gross ist die Gefahr, dass es in der Schweiz zu dschihadistischen Anschlägen kommt? «Laut dem Nachrichtendienst des Bundes ist die Schweiz tatsächlich Teil einer Gefährdungslage in Europa», meint Schmid. Allerdings seien Länder, die sich militärisch gegen den Islamischen Staat engagierten, sicher noch stärker im Fokus. Die Schweiz sei eher ein sekundäres Ziel. Er wolle ganz sicher keine Angst schüren, aber ganz ausschliessen könne man die Gefahr solcher terroristischen Anschläge in der Schweiz leider nicht.

Im Kanton Freiburg gibt es laut Schmid rund 9500 Muslime. Es gebe fünf Moscheen in Freiburg, dazu je eine in Murten und in Bulle. Von Auffälligkeiten in diesen Moscheen, die auf eine Radikalisierung wie etwa in Genf oder Winterthur hinweisen würden, habe das Zentrum für Islam und Gesellschaft keine Kenntnis. Dass sich Muslime als Individuen radikalisieren würden, könne man allerdings nie ausschliessen.

Insgesamt dominiere in Freiburg aber das friedliche Miteinander. Viele Muslime seien etwa auch an interreligiösen Aktivitäten interessiert. Schmid beurteilt die gesellschaftliche Integration der muslimischen Gemeinden im Kanton denn auch als gut – auch wenn es dafür keine statistischen Zahlen gebe. Namentlich der Verein Frislam engagiere sich sehr stark für den Dialog zwischen den Religionen.

Was den interkantonalen Vergleich betrifft, so liege Freiburg sicher im Mittelfeld. Die Integrationsbemühungen seien in den stärker urbanisierten Gebieten wie Lausanne, Genf oder Zürich sicher noch etwas grösser. Dort werde etwa bereits muslimische Seelsorge in Spitälern angeboten, was es in Freiburg noch nicht gebe.

jcg

 

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