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«Sie wollen, dass wir verrecken»

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Dass es heiss werden würde an diesem Donnerstagabend, zeichnete sich schon kurz vor Versammlungsbeginn ab: Die Mitglieder des Quartiervereins Neustadt strömten zuhauf in den grossen Saal des Café de l’Epée auf der Oberen Matte. Zusätzliche Stühle wurden in den Saal getragen, aber auch die reichten nicht aus, von den rund 120 Personen mussten viele stehen. Unter Punkt drei, Bericht der Präsidentin, entschuldigte sich Fabienne Curty schon mal vorsorglich für das ungeschickte Vorgehen des Vorstandes in Sachen Verkehr. «Wir haben mit der Stadt über verschiedene Verkehrsberuhigungsmassnahmen diskutiert. Wir haben aber auch verlangt, dass alle Massnahmen zuerst getestet werden müssen, und dass keine Entscheidung getroffen werden darf, ohne dass diese von den Bewohnern gutgeheissen wird.» Bereits erhoben sich ein paar Stimmen im Saal. «Das stimmt nicht!» riefen einige.

Unter dem speziell eingefügten Traktandum 5a, Mobilität, versuchte Vize-Präsident Gérard Schmutz, das drohende Unheil abzuwenden und die Anwesenden auf den Vorstand einzuschwören: «Wer im Saal ist mit der Sanierung der Neustadtgasse zufrieden?», fragte er rhetorisch. «Es hat keinen Flüsterbelag und am Strassenrand stehen hinderliche Pfosten. Wir verlangen, dass diese durch etwas anderes ersetzt werden.» Mit der geplanten Schliessung der Bahnhofallee bis 2020 spitze sich die Verkehrssituation zudem an zwei Orten zu: Bei der St. Johann-Brücke, die für Kinder auch im Hinblick auf die Eröffnung des Werkhofes für die ausserschulische Betreuung ein besonderes Problem darstellt; und beim Pertuis-Platz am Fusse des Funiculaires, wo die Bushaltestelle der Linie 4 liegt, die Alte Brunnengasse, die Neustrasse und die Neustadtgasse zusammenkommen und ein hohes Fussgänger- und Verkehrsaufaufkommen herrscht.

Die Unruhe im Saal wurde immer deutlicher. Das Gewitter entlud sich, als sich Jean-Michel Jonin, Ehrenpräsident des Quartiervereins, erhob und aussprach, was die Anwesenden wirklich umtreibt. «Trotz den Worten der Präsidentin», fing er an, «die Idee eines Pollers auf der Alten Brunnengasse ist absurd. Dafür wird sich niemals eine Mehrheit der Bewohner und Gewerbetreibenden finden.» Klatschen, Gejohle, Standing Ovations. Der Poller benachteilige die Bewohner, die zur Arbeit müssten, die Lieferanten der Gewerbetreibenden, die Gäste der Restaurantbetreiber, die Eltern, die ihre Kinder zum Schwimmbad bringen wollten, die Sportvereine. Und schliesslich würden die geplanten Massnahmen der Stadt zu einer Verlagerung des Verkehrs auf den Stadtberg und die Neustrasse führen, wo es dann zu Spitzenzeiten zu Rückstaus kommen werde. «Aus diesem Grund verlangt die Versammlung, dass der Vorstand dem Gemeinderat einen neuen Brief schreibt, welcher jenen vom Januar ersetzt.» Darin hatte der Vorstand nämlich dem Gemeinderat signalisiert, dass ein Poller auf der Alten Brunnengasse eine Lösung sein könnte. Jonin forderte zudem, dass jegliche neue Initiative von einer ausserordentlichen Versammlung vorgängig abgesegnet werden müsse. «Bravo!», frenetischer Applaus.

Noch nichts entschieden

Daraufhin ergriff Gemeinderätin Andrea Burgener (SP) das Wort: «Ich bin einverstanden mit Ihnen, dass die St. Johann-Brücke gefährlich und die Kreuzung Pertuis überlastet ist. Auch gehe ich mit Ihnen einig, dass die Sanierung der Neustadtgasse nicht gelungen ist.» Doch sie weise darauf hin, dass die Strassengestaltung und die Pfosten dort nicht definitiv seinen. In Sachen Schliessung der Bahnhof­allee redete sie dann aber Tacheles: «Die Neugestaltung des Bahnhofs ist wichtig für die Stadt und von regionaler Bedeutung. Wir werden die Bahnhofallee Ende 2019 schliessen.» Der Gemeinderat habe die Aufgabe, den Transitverkehr in die Unterstadt zu verhindern. Noch seien aber keinerlei Massnahmen entschieden worden, der Gemeinderat werde seine Vorschläge im Herbst an einer ausserordentlichen Versammlung des Quartiervereins präsentieren.

Daraufhin rissen die Wortmeldungen aus dem Publikum nicht ab. Claude Bapst fand: «In anderen Städten fahren die Autos auch vor dem Bahnhof durch.» Marguerite Trocmé von der Vereinigung Alte Brunnengasse schlug vor, dass die Restaurateure Parkgutscheine für ihre Kunden erhalten sollten. Und sie präzisierte: «Wir wollen keinen Poller, wir wehren uns nur gegen den Transitverkehr.» Applaus!

Das Fass ist voll

Dann konnte Plattenleger Pascal Aebischer nicht mehr an sich halten: «Ich spreche im Namen derer, die nicht gehört werden, der Bolzes, der Gewerbetreibenden und Handwerker.» Auch er betonte, dass das Vorgehen des Vorstandes nicht im Interesse der Bewohner gewesen sei. Zudem verlangte er eine Abstimmung über alle neuen verkehrseinschränkenden Massnahmen. Er räumte ein, dass die letzten Massnahmen auf der Alten Brunnengasse dazu geführt haben, dass der Verkehr um 30 Prozent abgenommen habe. Doch noch immer würden die Anwohner dort wegen der Pflästerung unter Lärm leiden. Dagegen helfe auch kein Poller. Ein solcher würde nur zu weiteren Nachteilen für die Bewohner und Gewerbetreibenden führen. Die Aufhebung von Parkplätzen und blauen Zonen, die Einführung von Parkgebühren, die Verteuerung der Bus- und Funi-Billette, all das bedrohe das Neustadtquartier existenziell. «Meine Freunde und ich sind uns einig: Die spinnen, sie wollen, dass wir verrecken.»

Stimmen, die darauf hinwiesen, dass die Stadt die Verkehrspolitik nicht allein in der Hand habe, fanden an diesem Abend kaum Gehör.

Die Versammlung hiess den Antrag von Jonin schliesslich nahezu einstimmig gut: Der Quartierverein soll über alle künftigen Verkehrsmassnahmen mitentscheiden können.

Kommentar

Regula Saner

Die Stadt muss sich überlegen, was sie falsch macht

Die Stimmung an der Generalversammlung des Quartiervereins Neustadt war gelinde gesagt befremdlich. Die Menge pöbelte, rief dazwischen, buhte, klatschte, übte massive Kritik am Vereinsvorstand und dem Gemeinderat der Stadt Freiburg. Sehr konstruktiv wirkte das alles nicht. Wer aber genau hinhörte, vernahm, dass sich die Bewohner der Neustadt ernsthaft um die Zukunft ihres Quartiers sorgen. Die Gewerbetreibenden beklagen Umsatzeinbussen und führen dies auf die Verkehrspolitik der Stadt zurück. Nun pflegt die Stadtregierung zu sagen, die Gründe für die Probleme seien primär struktureller Natur; sie seien auf anderes Konsumverhalten zurückzuführen und beispielsweise auf das Rauchverbot in den Beizen. Man kann auch finden, dass all jene faul und dumm seien, die glauben, mit dem Auto essen gehen zu müssen, und dann nicht bereit sind, zwei Franken pro Stunde fürs Parken zu zahlen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Unterstadt vom Gemeinderat nicht ernst genommen fühlen.

Der Gemeinderat verfolgt hehre Ziele – weniger Verkehr für mehr Umweltschutz – und vergisst dabei, die Menschen mitzunehmen. Das ist nicht bloss eine Frage der Kommunikation, es fehlt an praktikablen Vorschlägen, wie die Neustädter ihre Probleme lösen können. Tut der Gemeinderat dies nicht, kreiert er nicht nur Wutbürger, sondern riskiert, dass die Altstadt zum Museum wird.

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