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Manchmal ist jede Antwort falsch

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In der Mitte der Tisch des Richters, daneben ein Tisch für den Angeklagten und seinen Verteidiger, auf der anderen Seite ein Tisch für die Staatsanwältin und die Nebenklägerin, vorne der Zeugenstand. Das ist das simple Bühnenbild des Stücks «Terror», welches das Theater Orchester Biel Solothurn am Donnerstagabend bei «Theater in Freiburg» aufgeführt hat. Ein Bühnenbild, das während zwei Stunden und zwanzig Minuten unverändert bleibt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sitzen an ihren Plätzen oder stehen allenfalls für ihre Plädoyers auf – wie in einem echten Gerichtssaal. Kann diese statische Anlage auf der Theaterbühne funktionieren? Sie kann, denn der Prozess, der hier abgehalten wird, lässt niemanden unberührt. Vor Gericht steht der Kampfjetpilot Lars Koch, angeklagt des 164-fachen Mordes. Koch hat, entgegen den Befehlen seiner Vorgesetzten, ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug abgeschossen, um zu verhindern, dass die Entführer die Maschine in die voll besetzte Münchner Allianz-Arena steuern. Er hat die 164 Menschen im Flugzeug geopfert, um die 70 000 Fussballfans im Stadion zu retten.

Juristisch hat sich der Pilot strafbar gemacht, indem er gegen einen Entscheid des deutschen Bundesverfassungsgerichts verstossen hat. Doch ist er auch moralisch schuldig? Soll er für sein Handeln bestraft werden? Kann man Menschenleben gegen Menschenleben aufwiegen? Soll man wenige opfern, um viele zu retten? Wie viel sind wenige, wie viel viele? Ändert es etwas, wenn die Opfer wahrscheinlich sowieso nicht mehr lange zu leben haben? Ist es überhaupt möglich, diese Fragen allgemeingültig zu beantworten? Sind Prinzipien eine gute ­Entscheidungsgrundlage? Welche Rolle spielt der Verstand, welche das Herz? Mit all diesen Fragen konfrontiert Autor Ferdinand von Schirach, ehemaliger Strafverteidiger, die Besucherinnen und Besucher des Stücks, und dies bis zum bitteren Ende. Keiner kann sich der Verantwortung entziehen, denn in diesem Stück sind die Zuschauer nicht einfach nur Zuschauer, sie sind Laienrichter, die am Ende entscheiden müssen zwischen Freispruch und Verurteilung.

Mit ihrer überzeugenden, eindringlichen Inszenierung machen es die Schauspielerinnen und Schauspieler den Richtern im Publikum nicht leicht. Da ist der Angeklagte Lars Koch (Jan-Philip Walter Heinzel), der unverschuldet in eine Situation geraten ist, in der er innerhalb weniger Sekunden eine schreckliche Entscheidung treffen musste. «Ich habe gegen einen Befehl gehandelt, weil ich es für richtig hielt», sagt er im Zeugenstand. An den Tod habe er in dem Moment gedacht, daran, dass sich sein Leben nun für immer verändern würde, an seine Frau und an seinen zweijährigen Sohn. Abgeklärt und selbstsicher wirkt er, bis die Staatsanwältin (Atina Tabé) ihm die vielleicht brutalste Frage des Abends stellt: «Hätten Sie auch so gehandelt, wenn Ihre Frau und Ihr Sohn in dem Flugzeug gewesen wären?» Diese Frage wolle er sich nicht stellen, antwortet Koch. «Ich kann es nicht. Jede Antwort wäre falsch.» Da ist auf der anderen Seite die Nebenklägerin Franziska Meiser (Margit Maria Bauer), deren Ehemann im Flugzeug sass. Alles, was ihr von ihm geblieben ist, ist eine letzte SMS aus dem Flieger, ein Schuh, der aus den Trümmern geborgen wurde – und die Frage ihrer siebenjährigen Tochter, welchen Sinn es habe, einen leeren Sarg zu beerdigen. Und da ist ein Verteidiger (Jörg Seyer), der keine Angst vor klaren Worten hat. Sein Mandant habe die richtige Entscheidung getroffen. Manchmal gebe es keine andere Lösung, als das kleinere von zwei Übeln zu wählen. «Die Welt ist nun mal kein Seminar für Rechtsstudenten. Wir sind im Krieg, und Kriege gibt es nicht ohne Opfer.»

Dann liegt der Ball beim Publikum. «Es ist an Ihnen, ein gerechtes Urteil zu finden», so der Gerichtsvorsitzende (Günter Baumann). Alle geben ihre Stimmen ab. Nach der Pause wird das Urteil verkündet: Freispruch mit 372 zu 140 Stimmen. Freiburg liegt damit auf einer Linie mit anderen Aufführungsorten: Seit der Uraufführung im Oktober 2015 wurde Lars Koch bei 1194 Inszenierungen in acht Ländern nur 92 Mal schuldig gesprochen; 61 Prozent der 311 894 Richter entschieden sich für Freispruch. Und doch – was am Ende bleibt, deckt sich mit Kochs Erkenntnis: Irgendwie ist jede Antwort falsch.

Bilanz

Gelungener Abschluss einer erfolgreichen Saison

Franz Baeriswyl, Präsident von «Theater in Freiburg», war am Donnerstagabend nach der letzten Aufführung der Saison rundum zufrieden – sowohl mit dem Abschlussstück «Terror» als auch mit der ganzen Spielzeit. «Die Inszenierung von ‹Terror› hat mich überwältigt», sagte er gegenüber den FN. Nachdem er den Stoff bereits als Film gesehen habe, sei er nicht sicher gewesen, wie er auf der Bühne wirken würde. «Aber ich fand die Theaterversion gar noch packender.» Glücklich sei er auch über den Verlauf der ganzen Spielzeit: «Keine Aufführung ist abgefallen, und die schauspielerischen Leistungen waren durchwegs hervorragend.» Entsprechend positiv habe das Publikum reagiert. 500 bis 550 Zuschauerinnen und Zuschauer hätten die Stücke jeweils gesehen. «Besonders erfreulich ist, dass immer mehr Junge kommen», so der Präsident.

cs

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