«Hüt! Freu di Hochzitter, du guete Ma, Morn het am End D’frau scho dini Hose a», so steht es auf der einen Seite des Bogens, der sich seit den 1930er-Jahren über die Hochzeitergasse im Freiburger Burgquartier spannt. Auf der anderen Seite heisst es auf Französisch: «Voici la rue des Epouses fidèles et aussi le coin des Maris modèles». Was hat es mit den beiden so unterschiedlichen Inschriften auf sich? Was sagen sie über die damalige Zeit aus? Wie stehen wir heute dazu? Und ob das Hochzeiterpaar, das von da oben über die Gasse blickt, zu den glücklichen gehört? – Kaum einer der Passanten, die gewöhnlich durch die fünfzig Meter lange Gasse gehen, wird sich solche Fragen stellen. Manchmal nur hält ein Tourist an, fotografiert das Schild und macht vielleicht ein Selfie von sich und dem schmucken Paar.
Perspektivenwechsel
Diese Beobachtungen brachten den Architekten Frank-Olivier Cottier auf die Idee mit seinem «Selfie-Turm». Der Turm ist ein Projekt, das der 34-Jährige im Rahmen des diesjährigen Bollwerkfestivals realisiert hat, als eines von sieben Projekten, die aus dem offenen Wettbewerb hervorgegangen sind. «Die Ausschreibung, die nach Kunst an ungewohnten Orten fragte, hat mich inspiriert», so Cottier. «Ich sah all die Leute, die hier durchliefen und die ihre Fotos machten. Dabei nehmen sie oft gar nicht richtig wahr, was sie sehen oder fotografieren.»
Das will der 5,5 Meter hohe «Selfie-Turm» ändern: Indem er den schmalen Durchgang fast komplett versperrt, zwingt er die Passanten, hinzuschauen – und eine Entscheidung zu treffen. Entweder man umgeht den Turm, oder man betritt und besteigt ihn. Denn im Inneren führen zwei Treppen hinauf, welche die Besucher bis auf die Höhe des Hochzeiterpaares bringen. Hier kann man dem Paar in die Augen schauen, die Inschrift aus der Nähe studieren – oder auch ein Selfie aus einer ganz neuen Perspektive machen. «So nimmt man einen Ort, den man zu kennen glaubt, plötzlich ganz anders wahr», sagt Frank-Olivier Cottier.
Eingespieltes Team
So einfach das Projekt klingt, so anspruchsvoll war die Umsetzung: Frank-Olivier Cottier hat dafür mit dem Holzbauunternehmen von Jürg Mäder aus Flamatt zusammengearbeitet. Cottier und Mäder kannten sich von einem gemeinsamen Renovationsprojekt in der Freiburger Unterstadt.
«Als Frank-Olivier mich anfragte, habe ich sofort zugesagt, auch wenn mir das Ganze anfangs nicht ganz ausgereift erschien», erinnert sich Jürg Mäder. «Ich mache gerne Sachen, die andere vielleicht nicht machen wollen. Es reizt mich, Lösungen für schwierige Aufgaben zu finden», so der 36-Jährige.
Massarbeit
So begannen Cottier und Mäder, das Projekt gemeinsam mit einem Ingenieur zu konkretisieren. «Als wir den Turm bei uns in Flamatt bauten, sahen wir erstmals, wie gross er tatsächlich war», so Mäder. Beim Aufbau der 5,5 Meter hohen und 2,2 Tonnen schweren Konstruktion in der engen Gasse war Massarbeit gefragt. Beim Treffen auf dem Turm zeigen sich der Architekt und der Zimmermann zufrieden. Jürg Mäder gefällt, dass es sich um eine Konstruktion aus Holz handelt: «Sie zeigt den Leuten, was man alles aus Holz machen kann.» Und Frank-Olivier Cottier freut sich über die ersten Reaktionen von Passanten: «Auch wer noch so versunken auf sein Smartphone starrt, nimmt den Turm wahr und stellt sich Fragen.» Das Ziel, die Menschen mit Kunst an ungewohnten Orten aus dem Alltagstrott zu reissen, ist damit erreicht.
«Dank dem Turm nimmt man einen Ort, den man zu kennen glaubt, plötzlich ganz anders wahr.»
Frank-Olivier Cottier
Architekt
«Ich mache gerne Sachen, die andere nicht machen wollen. Es reizt mich, schwierige Aufgaben zu lösen.»
Jürg Mäder
Holzbau-Unternehmer
Programm
Der Turm ist jederzeit zugänglich
Der Selfie-Turm in der Hochzeitergasse ist bis zum Ende des Festivals am 1. Juli frei und gratis zugänglich. Wer will, kann mit seinem Selfie via Facebook an einem Wettbewerb teilnehmen. Das beliebteste Bild wird mit einem Eintritt für die Abschlussfeier am 1. Juli belohnt.
Details und ganzes Festivalprogramm: www.belluard.ch