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Die Ruhe vor dem Sturm?

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Ein idyllisches Dorf: In Wileroltigen weist nebst Transparenten auf Heuballen und einem abgesperrter Dorfplatz am Montagabend nichts darauf hin, dass die Lage angespannt ist. Eigentlich stand für den Abend ein Informationsanlass zu einem vom Kanton Bern geplanten Transitplatz für Jenische, Sinti und Roma in Wileroltigen auf dem Programm. Der Gemeinderat hatte den Anlass jedoch aus Angst vor Protesten von einander feindlich gesinnten Gruppen abgesagt. «Ich glaube nicht, dass sie heute kommen», sagt Willi Stoss, Landwirt aus Wileroltigen. «Sie kommen erst im September.» Damit spricht Stoss das Gesuch des linken Kollektivs «Bleiberecht Bern» an: Die Gruppierung plant eine Demonstration gegen «Antiziganismus» in Wileroltigen. Für den Montagabend wird Stoss recht behalten: ausser vier Kantonspolizisten, dem Sprecher der Fahrenden, Andreas Geringer, ein paar Journalisten und Fotografen zeigt sich niemand auf dem Dorfplatz im Herzen der 380-Seelen-Gemeinde. Wie es am 24. September aussieht, bleibt derweil offen. Einer der Polizisten zeigt sich skeptisch: «Dann werden wir wohl mehr zu tun haben.»

Der Gemeinderat hat sich im Juli klar gegen einen fixen Transitplatz für Fahrende in Wileroltigen ausgesprochen. Der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus will das Vorhaben jedoch weiter prüfen (die FN berichteten). Seinen Plan hatte er zu einem Zeitpunkt angekündigt, an dem bis zu 500 Fahrende eine Wiese neben dem Autobahnrastplatz besetzten. Daraufhin mobilisierten der Gemeinderat und Dorfbewohner gegen das Vorhaben und zogen damit die Aufmerksamkeit verschiedener Lager aus der ganzen Schweiz auf sich.

Tendenz geht Richtung Nein

«Ich bin sehr froh, dass es ruhig geblieben ist am Montag und alle die Absage des Anlasses akzeptierten», sagte Wileroltigens Gemeindepräsident Christian Grossenbacher gestern auf Anfrage. Heute Abend werde der Gemeinderat das Bewilligungsgesuch für die Demo behandeln. Definitiv entschieden sei noch nichts, sagte Grossenbacher, «doch die Tendenz geht klar Richtung Nein». Denn die Situation ist die gleiche, wie bereits beim abgesagten Infoanlass: Ein allfälliges Polizeiaufgebot muss die Gemeinde selber berappen. Und wenn die Kantonspolizei im grossen Stil ausrückt, kostet das rasch einen tiefen sechsstelligen Betrag. Das ist viel für eine kleine Gemeinde wie Wileroltigen. Doch ohne Kantonspolizei wäre die Sicherheit für die Bevölkerung nicht gewährleistet, wenn Linke und Transitplatz-Gegner im Dorf aufeinandertreffen.

Inzwischen sind die Sinti, Jenischen und Roma Richtung Westen weitergezogen. Für den Wileroltiger Landwirt Willi Stoss ist der Fall klar: «Ich bin klar gegen einen Transitplatz, weil die Felder, Wiesen und der schöne Wald voll waren mit Dreck – da muss man sich ja übergeben.»

Handwerker und Professoren

Existenzängste gibt es auf beiden Seiten

Sommer für Sommer kommen Fahrende in die Schweiz. Nicht immer läuft das gut, wie sich in Wileroltigen zeigt. Andreas Geringer kennt beide Welten: Er ist Sohn einer jenischen Frau und eines Sinto, hat in der Schweiz zwei Berufslehren abgeschlossen und ist selber auch als internationaler Fahrender unterwegs. Und er hat vom Bund ein offizielles Mandat, zwischen Fahrenden und Behörden zu vermitteln.

«Ich kann verstehen, wenn ein Bauer Angst um seine Felder und Wiesen hat», sagt Geringer auf dem Dorfplatz in Wileroltigen im Gespräch mit den FN. «Man muss einen Teil der Fahrenden zu mehr Sauberkeit erziehen.» Alle in einen Topf zu werfen, gehe jedoch gar nicht: «Der soziale Status der Fahrenden in Wileroltigen war sehr unterschiedlich.» Bei den meisten habe es sich um ärmere Familien gehandelt, die im Schrotthandel tätig sind. «Es gab jedoch auch eine Familie, die Dachrinnen aus Kupfer mit Drachenköpfen für Schweizer Unternehmen herstellt», erklärt Geringer. Das seien wahre Kunsthandwerker. Andere handelten mit Luxusautos: «Dreijährige Ferraris oder Mercedes aus der Schweiz lassen sich im Ausland gut an die wohlhabende Mittelschicht verkaufen, weil hier jeder Service gemacht wird.» Fahrende aus Norwegen seien in der Informatik tätig: «Sie haben sich darauf spezialisiert, CNC-Maschinen zu programmieren.» Andere kauften bei Bauern Speck ein und verkauften diesen an andere Fahrende. Es gebe unter den Roma, Sinti und Jenischen einfache Handwerker und auch Professoren. Und alle seien darauf angewiesen, für ihre Arbeit eine Zeit lang an einem Ort bleiben zu können. «Das ist in der Schweiz aber fast nicht möglich», erklärt Geringer. Deshalb bestünden auch unter den Fahrenden Existenzängste, wenn sie in der Schweiz Arbeitsbewilligungen für 90 Tage und Aufträge eingeholt haben, sich aber ständig mit Platzfragen auseinandersetzen müssen. Grundsätzlich ist für Geringer klar: «Toleranz zu fordern bedingt, selber tolerant zu sein.» Das gelte zwischen Fahrenden und Sesshaften wie auch unter Sinti, Roma und Jenischen. Die Situation in der Schweiz sei besonders schwierig: In Frankreich zum Beispiel gebe es viele leere Fabrikareale, auf denen Sinti, Roma und Jenische für einige Tage bleiben können, ohne dass es jemanden kümmert. Das sei hier aus Platzgründen und wegen der Gesetzeslage jedoch undenkbar. Zudem sei es in kaum einem anderen Land so, «dass ein Dorf wie Wileroltigen alleine dasteht mit dem Problem».

emu

 

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